Hartz IV - Der Weg in die Armut?

"Hartz und herzlos" titelte die Berliner Tageszeitung (taz) und brachte damit die Gefühle, die das so genannte Hartz IV-Gesetz in der Bevölkerung auslöste, auf den Punkt. Doch was ist eigentlich Hartz IV? Was bedeutet der Name und warum wurde dieses Gesetz gemacht?

Was bedeutet der Name Hartz IV?

Das Gesetz heißt eigentlich SGB II (für "Sozialgesetzbuch II). Das Wort Hartz ist der Nachname des VW-Vorstandes Peter Hartz, Vorsitzender der 15-köpfigen Hartz-Kommission. Ihr Auftrag: Reformen ausloten und deren Machbarkeit prüfen. Die Kommission wurde im Mai 2002 von der Bundesregierung gegründet. Die Mitglieder waren Unternehmer, Unternehmensberater, Wissenschaftler, Politprofis und Gewerkschaftler. Normalverdienende Arbeitnehmer gehörten nicht dazu.

Wozu Reformen?

Unsere Sozialgesetze stammen aus einer Zeit, in der es weder Globalisierung noch den so genannten "demografischen Faktor" gab. Während die großen Konzerne heute global agieren, also überall auf der Erde neue Fabriken schaffen können, waren die Firmen früher stark national ausgerichtet. Heute wird dort produziert, wo die niedrigsten Löhne bezahlt werden können, meist in Asien oder Osteuropa. Was die Löhne in Deutschland teuer macht, sind die so genannten "Lohnnebenkosten", vor allem Gelder wie Kranken-, Pflege- oder Arbeitslosenversicherung, von denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte bezahlen müssen.

Unter dem Begriff "demografischer Faktor" wird das Älterwerden der Gesellschaft verstanden. Die Menschen haben eine höhere Lebenserwartung als früher, und es werden weniger Babys geboren. Da unser Rentensystem auf einem Generationenvertrag basiert, müssen die Jüngeren in die Rentenversicherung einzahlen, damit die Älteren - die vorher ihr Leben lang einbezahlt haben - ihre Rente bekommen.

Wenn es jetzt mehr alte als junge Menschen gibt, kommt nicht mehr genug Geld in die Rentenkasse. Das Problem der Arbeitslosigkeit verschärft die Situation, denn auch Arbeitslose können kein Geld in die Sozialkassen zahlen.

Agenda 2010

Die Hartz-Kommission hat ein Reformprogramm empfohlen, das unter der Überschrift "Agenda 2010" umgesetzt wurde. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat das Paket im März 2003 in einer Regierungserklärung vorgestellt. "In Verantwortung für die Zukunft unseres Landes" kündigte der SPD-Kanzler an, die Lohnnebenkosten, die Renten und die Leistungen für Arbeitslose zu kürzen. Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollten zusammengelegt und Lockerungen beim Kündigungsschutz durchgesetzt werden.

Was bedeuten Hartz I bis III?

Bereits am 1. April 2003 sind die ersten beiden "Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" in Kraft getreten: Hartz I und Hartz II. Idee von "Hartz I" sind die Personal-Service-Agenturen (PSA), die Arbeitslose gegen Honorar einstellen und als Leiharbeiter an Firmen vermitteln. Kernstück von "Hartz II" sind die neuen 400-Euro-Mini-Jobs und die Ich-AGs. Zum 1. Januar 2004 folgte mit "Hartz III", die gesetzliche Grundlage für den Umbau der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit in eine so genannte "Agentur".

Was bedeutet Hartz IV?

Hartz IV steht für den größten Umbau der sozialen Sicherungssysteme seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland: Seit 1. Januar 2005 gelten für Arbeitslose zahlreiche rechtliche und finanzielle Veränderungen. Arbeitslosen- und Sozialhilfe sind in Hartz IV zum Arbeitslosengeld II (ALG II) zusammengelegt worden. Gleichzeitig wurden aus Arbeitslosen, die mehr als ein Jahr keine Arbeit gefunden haben, Sozialhilfeempfänger und aus Sozialhilfeempfängern Langzeitarbeitslose.

Für letztere ändert sich wenig. Arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger profitieren sogar davon, weil sie jetzt wieder von den Arbeitsagenturen vermittelt werden können.

Hunderttausende Arbeitsloser bekommen nun aber kein Geld mehr von der Arbeitslosenversicherung - was oft den Absturz in die Armut bedeutet.

Das Abschaffen der Arbeitslosenhilfe und die so genannte "Grundsicherung für Arbeitsuchende" zeichnen sich durch das Prinzip des "Förderns und Forderns" aus. Um Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu erhalten, müssen sich die Antragsteller durch bis zu 16 Seiten Formulare kämpfen. Die Verunsicherung und die Angst sind bei den Betroffenen immer noch groß.

Nur wer bedürftig ist, erhält bei längerer Arbeitslosigkeit noch finanzielle Hilfe vom Staat. Wer das "Arbeitslosengeld II" beziehen will, muss zudem detaillierte Angaben über das Einkommen und Vermögen auch des (Ehe-)Partners machen und gegebenenfalls für einen Euro pro Stunde arbeiten. Hartz IV ermöglicht gegebenenfalls Zugriff auf Wohnung, Vermögen, Auto, auf Erbe und Ersparnisse.

Folgen weitere Reformen?

Auch wenn die Bundesregierung momentan eine Reformpause eingelegt hat, kann es noch nicht das Ende gewesen sein. Weder hat die umstrittene Gesundheitsreform die Lohnnebenkosten gesenkt, noch sind die Renten sicherer geworden.

Peter Hartz will noch einmal Vorschläge zur Senkung der Arbeitslosigkeit in Deutschland machen. In der Zeitung "Welt am Sonntag" kündigte er an, am 16. August 2005, dem dritten Jahrestag der Vorstellung seiner Reformen, Bilanz ziehen zu wollen.

Alles über die Agenda 2010 kannst du auf der Internetseite der Bundesregierung nachlesen.

Hier findest du weitere Informationen zum Arbeitslosengeld 2 und Hartz IV.

Text und Bild: Roland Rosenbauer, 2. 5. 2005

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