Die Suche nach der Mehrheit

Die Bundestagswahl 2005 ist vorbei. Die Parteien müssen jetzt stabile Mehrheiten finden, damit Deutschland eine handlungsfähige Regierung bekommt. Wir stellen euch die verschiedenen Möglichkeiten vor.

In der Politik demokratischer Staaten kommt es sehr selten vor, dass eine Partei die absolute Mehrheit erreicht und allein regieren kann. Normalerweise müssen Partner gefunden werden. Da bietet sich dann auch für eine kleine Partei die Möglichkeit mit zu regieren und eigene Vorstellungen umzusetzen. Von 1998-2005 wurde Deutschland "rot-grün" regiert, also von SPD und den Grünen. Davor war sechzehn Jahre lang eine schwarz-gelbe Regierung an der Macht aus CDU/CSU und FDP.

Schwierige Ausgangslage

Am Tag nach der Wahl sah das vorläufige Endergebnis so aus:

CDU/CSU: 35,2%

SPD: 34,3%

FDP: 9,8%

Linkspartei: 8,7%

Die Grünen: 8,1%

Sonstige: 3,9%

Durch die Wahl in Dresden in zwei Wochen sind noch Verschiebungen möglich. Wegen des Todes einer Kandidatin musste die Wahl in einem Dresdener Wahlbezirk verschoben werden.

Dennoch reichen die Mehrheiten weder für rot-grün noch für schwarz-gelb. Also müssen neue Lösungen gefunden werden. Denkbare Modelle wären:

Große Koalition

Die stabilste Mehrheit hätte natürlich die Zusammenarbeit von CDU/CSU mit der SPD. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es das schon einmal Ende der 60er Jahre. Auch in vielen Bundesländern funktionieren große Koalitionen.

Vor der Bundestagswahl haben allerdings beide Volksparteien immer wieder beteuert, dass eine große Koalition für sie nicht in Frage käme. Vielleicht hat der Wähler die Parteien jetzt aber dazu gezwungen. Verhandlungen werden jedenfalls aufgenommen.

Vorteil einer großen Koalition wäre, dass Gesetze im Bundesrat nicht blockiert würden, denn in der Länderkammer hat die Union die Mehrheit.

Ampel-Koalition

Rot-gelb-grün: Es gab in verschiedenen Bundesländern bereits Ampelkoalitionen, die jedoch sehr kurzlebig waren. Die FDP hat sich bereits gegen diese Lösung entschieden, wohl auch weil hier entwickelte Gesetze im Bundesrat zu Fall gebracht werden könnten.

Schwarze Ampel

auch "Schwampel" schwarz-gelb-grün: Hier müsste die Union zusammen mit FDP und den Grünen regieren. Die Grünen haben das zwar nicht abgelehnt, sehen aber ideologische Gräben. Das bedeutet, dass sie bei ganz bestimmten Themen, so z. B. beim Atomausstieg, vollkommen anderer Meinung sind als CDU/CSU oder FDP.

Jamaika-Koalition

Ebenfalls schwarz-gelb-grün nach den Farben der jamaikanischen Flagge.

rot-rot-grün

Hier gibt es tatsächlich eine linke Mehrheit, doch will Bundeskanzler Gerhard Schröder sich nicht mit den Linken um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi an einen Tisch setzen. Die Linke besteht ja nicht nur aus Mitgliedern der PDS, sondern vor allem aus ehemaligen SPD-Parteimitgliedern, welche die Partei aus Protest gegen die Politik des Bundeskanzlers verlassen haben (Agenda 2010, Hartz-Gesetze). Die Linke würde die Rücknahme dieser Reformen verlangen, was Gerhard Schröder nicht mitmacht.

Wie geht es weiter?

Die Parteien werden untereinander Gespräche führen. Bundeskanzler Gerhard Schröder bleibt mindestens bis zum Zusammentritt des neu gewählten Bundestags im Amt. Falls in der konstituierenden Sitzung kein neuer Regierungschef gewählt werden kann, so ist der amtierende Kanzler nach Artikel 69 Grundgesetz auf Ersuchen des Bundespräsidenten verpflichtet, die Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterzuführen. Dieser Übergangszustand könnte theoretisch Wochen oder Monate dauern. Für die Kanzlerwahl gibt es keine Frist.

Sollten sich die Parteien nicht auf eine Koalition einigen können, so ist selbst eine weitere Neuwahl möglich: Das passiert, wenn der Bewerber bei der Kanzlerwahl keine absolute Mehrheit der Stimmen bekommt.

Text und Bilder: RR 19. 9. 2005

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