Der Stammheim-Prozess

Mit der Urteilsverkündung am 28. April 1977 ging der bedeutendste Terroristenprozess der deutschen Geschichte zu Ende, der in den Jahren 1975 bis 1977 in Stuttgart-Stammheim stattgefunden hat. Vor Gericht standen die Angeklagten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe.


Für Ulrike Meinhof begann der Weg von der bürgerlich-linken Journalistin zur Mitgründerin der Roten-Armee-Fraktion mit dem Tod des 26jährigen Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967. Der Student war bei der Schah-Demonstration von einem Polizisten erschossen worden. Auch das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 ließ Ulrike Meinhof nicht nur in ihren Artikeln radikaler und kompromissloser werden. Die beiden Ereignisse waren die Quelle einer erbitterten Terrorwelle, welche die damals noch junge Bundesrepublik erschütterte.

Die Anfänge der RAF

Am 2. April 1968 wurden in Frankfurt am Main zwei Kaufhäuser in Brand gesteckt. Die Polizei nahm unter anderem die Studentin Gudrun Ensslin und ihren Freund Andreas Baader fest. Ensslin wollte damit gegen die Gleichgültigkeit protestieren, mit der die Menschen in der Bundesrepublik den Krieg in Vietnam hinnahmen.

Im Mai 1970 befreite Ulrike Meinhof den Kaufhausbrandstifter Andreas Baader aus der Haft. Im Untergrund bauten die drei im gleichen Jahr die Rote Armee Fraktion (RAF) auf. Von Juni-August 1970 absolvierten sie dazu eine Militärausbildung in einem Palästinenser-Camp in Jordanien. Bei ihrem Kampf gegen das "imperialistische Herrschaftssystem" der Bundesrepublik nahm die RAF ganz bewusst Gewalt gegen Menschen in Kauf.

Jan-Carl Raspe trat der Gruppe 1971 bei. Zusammen mit Holger Meins soll Raspe Anschläge auf US-Amerikanische Einrichtungen in der Bundesrepublik geplant haben.

Jahrelange Haft

Im Juni 1972 verhaftete die Polizei die führenden Köpfe der RAF. Ulrike Meinhof wurde monatelang allein in einem toten Trakt einer Kölner Justizvollzugsanstalt eingesperrt.

Auch im Gefängnis blieb die RAF nicht untätig. Gudrun Ensslin entwickelte ein Info-System mit dem die Gefangenen in Kontakt bleiben konnten. Damit wurden unter anderem Hungerstreiks organisiert. Nach fast zwei Monaten Hungerstreik, am 9. November 1974 starb Holger Meins. Noch am selben Tag kam es in der gesamten Bundesrepublik zu Protestdemonstrationen.

Der Stammheim-Prozess

In der extra für den Prozess neu errichteten gepanzerten Mehrzweckhalle in Stammheim begann am 21. Mai 1975 der Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe. Zwölf Millionen Mark, das sind heute rund 6,4 Millionen Euro, hatte die Halle neben der Justizvollzugsanstalt gekostet. Aus Furcht vor etwaigen Befreiungsversuchen mit Hubschraubern war diese Halle zusammen mit dem Hofgang großflächig mit Stahlnetzen überspannt worden.

In Vorbereitung des Prozesses hatte der Staat extra für dieses Verfahren zahlreiche Gesetze geändert. So konnte die Verhandlung auch in Abwesenheit der Angeklagten weitergeführt werden, die Anwälte wurden teilweise während der Gespräche mit ihren Mandanten abgehört, was vor allem den späteren Bundesinnenminister Otto Schily empörte, der damals Gudrun Ensslins Verteidiger war.

Als das Urteil schließlich am 28.April 1977 - nach 192 Verhandlungstagen - gesprochen wurde, saßen auf der Anklagebank nur noch drei Personen. Ulrike Meinhof war am 9. Mai 1976 in ihrer Zelle 719 im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim tot aufgefunden worden. Nach den offiziellen Angaben hatte sie sich selbst erhängt. Von Angehörigen in Auftrag gegebene Gutachten bezweifeln bis heute diese Selbstmordversion.

Raspe, Baader und Ensslin wurden zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt.

Nach dem Urteil: Die RAF macht weiter

Seinen Höhepunkt erreichte der Terror aber erst nach dem Prozess: Die RAF existierte nicht nur hinter Gefängnismauern. Nach der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback und des Bankiers Jürgen Ponto schlug die linksextremistische Rote Armee Fraktion am 5.September 1977 erneut zu: In Köln entführte ein RAF-Kommando den Präsidenten der Arbeitgeberverbände, Hanns-Martin Schleyer. Die Terroristen wollten die inhaftierten RAF-Mitglieder freipressen. Bundeskanzler Helmut Schmidt blieb jedoch unnachgiebig.

Kollektiver Selbstmord

Am 13. Oktober entführten arabische Terroristen die "Landshut" mit 91 Menschen an Bord nach Mogadischu. Dort warfen die Terroristen die Leiche des erschossenen Flugzeugführers aus der Lufthansa-Maschine. Vier Tage später wurde die Maschine von der GSG-9, einer Spezialeinheit der Bundesgrenzschutzes gestürmt, tötete drei der Entführer und befreite die Geiseln. Baader, Ensslin und Raspe begingen daraufhin Selbstmord in ihren Zellen. Das vierte inhaftierte Mitglied der Gruppe, Irmgard Möller, überlebte ihren Suizidversuch mit mehreren Stichverletzungen im Brustbereich. Sie bestreitet bis heute die offizielle Version eines kollektiven Selbstmordes.

Am 19. Oktober wurde im Elsaß Schleyers Leiche gefunden.

Weitere Terrorakte

Im November 1982 nahm die Polizei die Führungsriege der zweiten RAF-Generation mit Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz fest. Aber auch nach dieser Verhaftung verübte die Rote Armee Fraktion weitere Attentate bis zu ihrer Selbstauflösung 1998. Unter anderen starben der Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts (1986), der Chefbeamte des Auswärtigen Amtes, Gerold von Braunmühl (1986), der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Siegfried Herrhausen (1989) und Treuhandchef Detlev Karsten Rohwedder (1991).

Der Prozess in Buch und Film

Der Stammheim-Prozess wurde 1985 in dem Film Stammheim von Reinhard Hauff filmisch aufgearbeitet. Das Drehbuch schrieb der Spiegel-Redakteur Stefan Aust parallel zu seinem Buch "Der Baader-Meinhof -Komplex". Ob Baader, Ensslin und Raspe nach ihren Verurteilungen von eigener Hand oder durch Fremdeinwirkung umkommen, lässt dieser Film offen.

1997 wurde Heinrich Breloers Zweiteiler Todesspiel in der ARD gesendet. Dieses Doku-Drama verwob Spielfilmelemente, Originalaufnahmen und Zeitzeugenberichte miteinander. Hier geht es um den Terrorherbst 1977 von der Entführung Hanns-Martin Schleyers bis zur Kaperung und Befreiung der Lufthansa-Maschine Landshut.

Hier findest du mehr Informationen über die Rote-Armee-Fraktion - leider nur in englischer Sprache.

Hier gibt es viele Informationen über die Rote-Armee-Fraktion auch in deutscher Sprache.

Text: Roland Rosenbauer 23. 4. 2007, Fahndungsplakat: Bundeskriminalamt Wiesbaden, Foto JVA: Wikipedia GNU, Filmplakat: Filmgalerie 451

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