Der Amoklauf von Emsdetten

Nach dem Schulmassaker von Erfurt im April 2002 hat es am 20. November 2006 erneut einen Amoklauf an einer deutschen Schule gegeben. Die Bilanz: 37 Verletzte, drei darunter schwer, und ein Täter, der sich mit einem Schuss in den Mund selbst richtete. Jetzt diskutieren Verantwortliche und Politiker darüber, wie solche Bluttaten in Zukunft verhindert werden können. Die Vorschläge reichen von strenger bewachten Schulen über das Verbot brutaler Computerspiele bis hin zum Aufstocken der schulpsychologischen Beratungsstellen.

Weltweit haben in den letzten Jahren Amokläufe an Schulen für großes Aufsehen gesorgt. Besonders der Überfall zweier Jugendlicher auf ihre Schule in Littleton im US-Bundesstaat Colorado im Jahr 1999, bei der zwölf Schüler und ein Lehrer getötet und 23 Personen verletzt wurden, erlangte traurige Berühmtheit. Littleton sollte zum Symbol werden für zahlreiche Zwischenfälle an Schulen, bei denen immer wieder unauffällige Außenseiter zu grausamen Tätern wurden.

Amokläufe an deutschen Schulen

Auch in Deutschland kam es seit 1999 zu mehreren Amokläufen. Ein halbes Jahr nach dem Blutbad von Littleton ersticht ein maskierter 15jähriger in Meißen seine Lehrerin vor den Augen seiner Mitschüler und wird kurz darauf festgenommen. Drei Monate später in Bayern: ein Schüler schießt auf seinen Internatsleiter, der kurz darauf seinen schweren Verletzungen erliegt. Der 16järhige bringt sich nach der Tat selbst um. 2002 tötet ein junger Amokläufer  drei Menschen, darunter seinen Schuldirektor, und anschließend sich selbst. Ein Racheakt, weil er kurz zuvor der Schule verwiesen worden war.

Trauriger "Höhepunkt" in Erfurt



Die folgenschwerste Tat an einer deutschen Schule ereignet sich allerdings 2002 in Erfurt . Binnen von nur zehn Minuten erschießt der 19jährige Robert Steinhäuser 16 Menschen und sich selbst. Er bestraft Lehrer und Mitschüler ebenfalls dafür, dass man ihn kurz zuvor von der Schule geworfen hatte. Im März 2003 wird dann eine Coburger Realschule zum Tatort: Ein 16jähriger versucht vergeblich zwei Lehrerinnen zu töten bevor er sich anschließend selbst eine Kugel in den Kopf jagt.



Westfalen: Ein 18jähriger rastet aus  

Nach drei Jahren trügerischer Stille ist es jetzt wieder passiert. In der Kleinstadt Emsdetten rastete ein 18jähriger aus. Offenbar aus Hass auf seine Umwelt, vor allem Lehrer und Mitschüler, stürmt er am Morgen des 20. November die Geschwister-Scholl-Realschule - schwarz uniformiert, mit vier Gewehren sowie selbst gebautem Sprengsatz bewaffnet. Der Schüler eröffnet ohne Vorwarnung das Feuer und zündet im Schulgebäude mehrere Sprengsätze und Rauchbomben.

37 Verletzte - Schüler und Lehrer unter Schock



Noch bevor er nach einer knappen Stunde von einem Spezialkommando überwältigt werden kann, nimmt er sich das Leben mit einem Schuss in den Mund. Einsatzkräfte finden seine Leiche im 2. Stockwerk der Schule. Zurück bleiben die schockierten Schüler und Lehrer sowie die am Boden zerstörten Eltern des Jungen. 37 Menschen wurden während des Amoklaufs verletzt und  mussten zum Teil in Krankenhäuser gebracht werden. Viele der Augenzeugen erhalten psychologischen Beistand. Normaler Unterricht wird diese Woche an der Geschwister-Scholl-Schule wohl kaum mehr stattfinden.



Waffen und Computerspiele

Über den Täter einen Waffennarr - weiß man inzwischen, dass er gewaltverherrlichende Rollen- und Computerspiele liebte. Den Überfall auf seine Schule soll er von langer Hand geplant haben. Schon vor Monaten hatte er einen virtuellen Plan seiner Schule entworfen und in mehreren Testläufen Lehrer und Mitschüler hingerichtet. Auch in einschlägigen Internetforen hat er seine Tat mehrfach angekündigt.

Einmal beachtet werden



Wie bei den meisten Vorfälle der letzten Jahre galt auch der Emsdettener Schüler als zurückhaltender Außenseiter, der keinerlei Kontakt zu seinen Mitschülern hatte.  In seiner Tat scheint sich jetzt sein ganzer zusammen geballter Frust der letzten Jahre entladen zu haben. Nachdem er sich selbst immer unverstanden gefühlt hatte, wollte er endlich einmal beachtet werden, einmal die Hauptrolle spielen. Nach dem Motto: Wenn ich schon nicht geliebt werde, will ich wenigstens gehasst werden.  

Wenn Wut in Hass umschlägt



Spezialisten werten die Vorgehensweise des Jungen als klassischen Amoklauf. "Amok" stammt aus dem Malaiischen und bedeutet Wut. Amokläufer machen die Welt für ihr Scheitern verantwortlich. Deshalb wollen sie Teile der Welt zerstören und inszenieren einen dramatischen Selbstmord. Damit sich jeder für immer an sie erinnert. Das verbindet auch sämtliche Täter der letzten Schul-Amokläufe in der ganzen Welt.



Mehr Sicherheit an den Schulen?

Nach dem Amoklauf von Emsdetten haben Politiker und Verantwortliche jetzt schon mehrere Vorschläge gemacht, wie man solche Vorfälle in Zukunft verhindern kann. Die einen fordern das strikte Verbot so genannter Ballerspiele. Andere halten die strengere Überwachung der Schulen selbst für sinnvoll. Doch es ist fraglich, ob auch bei uns amerikanische Verhältnisse eingeführt werden, wo die Schüler beim Betreten des Gebäudes mit Metalldetektoren auf Waffen untersucht und mit Kameras überwacht werden.

Hilfeschrei im Internet

Sinnvoller ist es sicher, den Jugendlichen Hilfe anzubieten, bevor sie keinen Ausweg mehr aus ihren Problemen finden. Z.B. indem man den Ausbau schulpsychologischer Beratungsstellen fördert. Denn die meisten Jugendlichen wünschen sich ja nichts sehnlicher, als dass ihnen jemand Beachtung schenkt und hilft. Auch der Amokläufer von Emsdetten hat offenbar Rat gesucht, den ihm scheinbar weder Familie noch Freunde geben konnten.

Vor zwei Jahren wandte er sich online an eine Beratungstelle für Jugendliche - wegen seiner Schulprobleme und schlechter Noten. Doch als er nach zweimaligem Sitzenbleiben den Realschulabschluss doch noch erfolgreich ablegte, wiegelte er an selber Stelle ab. Er habe damals wohl etwas übertrieben reagiert als er mit einem Amoklauf gedroht habe. Damit schienen sich die Probleme in den Augen seiner Mitmenschen doch noch gelöst zu haben. Aber das war offenbar ein Trugschluss.

Diskutiert mit

Wir würden gern eure Meinung zum Thema erfahren und warten auf eure Kommentare, hier oder im Forum. Wer noch mehr über Amokläufe an Schulen erfahren möchte, schaut  bitte in unsere Linkartikel.



Nic 21.11.2006 

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