Das deutsche Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht ist das wichtigste deutsche Gericht und für den Schutz der Verfassung der Bundesrepublik zuständig. Die Richter entscheiden, ob bestimmte Gesetze oder Urteile mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar oder verfassungswidrig sind. Diese Entscheidungen sind meist schwierig zu treffen und sorgen oft für Diskussionen.

Warum braucht man ein Bundesverfassungsgericht?

Die Verfassung ist die wichtigste Grundlage eines jeden Staates. Durch sie wird eine Nation definiert und die rechtliche und politische Grundordnung bestimmt. In Deutschland heißt die Verfassung Grundgesetz und wurde am 23. Mai 1949 eingeführt. Wenn nun im Staat neue Gesetze beschlossen, oder rechtliche Entscheidungen getroffen werden, die gegen die Verfassung verstoßen, ist die Grundordnung des Staates gestört. Deshalb braucht man ein Organ, das kontrolliert, ob alle wichtigen politischen oder rechtlichen Entscheidungen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen.


In diesem Gebäude in Karlsruhe arbeiten die Richter des Bundesverfassungsgerichts.

Das Verfassungsgericht in Deutschland

Bereits Anfang des 16. Jahrhunderts gab es erste Modelle eines Gerichts, das bei Streit zwischen einzelnen Staatsorganen grundlegende Entscheidungen treffen konnte. 1850 gab es in Bayern das erste Verfassungsgericht Deutschlands. Im Deutschen Reich und in der Weimarer Republik, sowie im Dritten Reich gab es nur eine eingeschränkte Verfassungsgerichtsbarkeit. Erst mit der Gründung der Bundesrepublik wurde auch das Bundesverfassungsgericht eingeführt. Am 9. September 1951 wurden die erste Entscheidungen über die Neuaufteilung der baden-württembergischen Länder gefällt; als Tag der Eröffnung wird in den Annalen des Gerichts der 28. September 1951 bezeichnet. Der Sitz des Gerichts ist in Karlsruhe.


Das Verfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit jeweils acht Richtern.



Wie ist das Verfassungsgericht aufgebaut?

Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten: dem ersten und dem zweiten Senat. Der erste Senat ist hauptsächlich für Fragen zuständig, die die Grundrechte, also Dinge wie Meinungsfreiheit oder Freiheit der Berufswahl, betreffen. Alle anderen verfassungsrechtlichen Probleme regelt der zweite Senat, zum Beispiel die, die das Wahlrecht betreffen. In jedem der Senat gibt es acht Richter. Es wird ein Präsident und ein Vizepräsident ernannt. Jeder von ihnen steht einem Senat vor.

Daneben hat jeder Senat noch drei Kammern mit unterschiedlichen Fachbereichen. Eine Kammer besteht aus drei Richtern des jeweiligen Senats. Die Kammern entscheiden vor allem, ob eine Beschwerde zur Entscheidung zugelassen wird. Sie können auch gleich eine Entscheidung treffen, wenn es sich um einen klaren und begründeten Fall handelt. Somit entlasten sie die Senate erheblich.


Die Amtstracht der Richter ist eine scharlachrote Robe, die den Richtern aus Florenz nachempfunden ist.

Die Richter

Die insgesamt 16 Richter werden zu einem Teil von einem speziellen Ausschuss aus dem Bundestag gewählt, zum anderen vom Bundesrat. Die Verfassungsrichter sind immer angesehene Juristen die sich mit der Verfassung gut auskennen. Sie haben eine Amtszeit von 12 Jahren und dürfen nicht wiedergewählt werden. Bei den Verhandlungen tragen die Richter nicht die normalen schwarzen Roben. Ihre Amtstracht ist scharlachrot. Damit wird die besondere Stellung des Gerichts verdeutlicht. Wenn man die Amtszeit überschritten hat oder die Altersgrenze von 68 Jahren erreicht hat, geht man als Richter in den Ruhestand.

Wie wird eine Entscheidung gefällt?

Die Richter im Bundesverfassungsgericht sind fähige Juristen, doch die Probleme, die sie zu lösen haben, sind oft sehr komplex und nicht eindeutig zu klären. Deshalb prüfen die Richter im zuständigen Senat den Sachverhalt und stimmen dann über das Urteil ab. Wenn es um eine Entscheidung geht, die sehr tief in die Gesetzgebung eingreift, so braucht es für ein klares Urteil sechs von acht Stimmen. Bei einer Pattsituation wird die Klage meist abgewiesen.


Das Verfassungsgericht befasst sich nur mit Fragen zur Verfassung, dem Grundgesetz, und entscheidet über Verfassungswidrigkeit.



Welche Anliegen kommen vor das Bundesverfassungsgericht?

Bei Prozessen vor normalen Gerichten hat man die Möglichkeit die Rechtsmittel Berufung oder Revision einzulegen, wenn man mit dem Urteil nicht einverstanden ist. Wenn dem stattgegeben wird, kommt der Rechtsstreit vor die nächsthöhere Instanz, also zum Landgericht oder zum Bundesgerichtshof. Das Bundesverfassungsgericht gehört nicht zu diesem Instanzenzug. Es fällt keine Urteile über strafrechtliche Themen wie Mord, sondern prüft nur ob Gesetze und behördliche Entscheidungen mit der Verfassung übereinstimmen.

Wenn man nun also der Meinung ist, dass ein neues Gesetz der Regierung, oder ein Urteil eines Gerichts gegen die Verfassung verstößt und Rechte eines deutschen Bürgers beschneidet, so kann man eine Verfassungsbeschwerde einreichen. So etwas wird dann vom Bundesverfassungsgericht entschieden wenn auch nur 2,5 Prozent der Beschwerden zugelassen werden. Außerdem ist das Verfassungsgericht noch für die Entscheidungen bei Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern oder einzelnen Regierungs- und Verwaltungsorganen zuständig.

Bekannte Urteile des Bundesverfassungsgerichtes

Was sollte man tun, wenn Terroristen ein Flugzeug mit Menschen an Bord entführen, um damit, wie am 11. September 2001, ein Hochhaus zu zerstören. Sollte man das Flugzeug abschießen und damit den Tod der Passagiere in Kauf nehmen, um andere Menschen zu retten? Das Bundesverfassungsgericht entschied in dieser Frage, dass es nicht rechtens ist, ein Leben einem anderen vorzuziehen. So wurde dieser Vorschlag für verfassungswidrig erklärt.

1995 wurde der sogenannte Kruzifix-Beschluss ausgegeben. Im bayerischen Schulgesetz war bis dahin festgelegt, dass in jedem Klassenzimmer ein Kreuz aufgehängt sein muss. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dieses Gesetz für verfassungswidrig, weil es gegen die Trennung zwischen Kirche und Staat verstieß, die im Grundgesetz festgelegt ist.

2009 befasste sich das Bundesverfassungsgericht intensiv damit, ob Überwachung und Durchsuchungen von Computern verdächtiger Personen verfassungswidrig sind. Man will so Terrorgruppen rechtzeitig identifizieren. Ein kniffliges Thema, weil dabei in die Privatsphäre der Bürger eingegriffen wird.

Zuletzt (im September 2011) ging es um Verfassungsbeschwerden, die im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Finanz- und Staatsschuldenkrise im Raum der Europäischen Währungsunion stehen.


Das Bundesverfassungsgericht hat hier entschieden, dass die Bundesregierung grundsätzlich verpflichtet ist, vor Übernahme von Gewährleistungen jeweils die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen, sie kann also nicht selbst Finanzhilfen z. B. an Griechenland vergeben und frei über die Gelder des deutschen Steuerzahlers verfügen.

17.04.09, akt. 28. 9. 11 - rr- // Text: Jan Wrede; Bilder: Adler: Wikipedia pd; Gericht: GNU (Tobias Helfrich); Senat: Bundesarchiv (cc-by-sa 3.0; Lothar Schaack); Robe: cc-by-sa 3.0 (Evilboy); Grundgesetz: pd (Bundeszentrale für politische Bildung) 

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt