Bundespräsident Walter Scheel

Walter Scheel war Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Vizekanzler und Außenminister. Von 1974 bis 1979 war er als Bundespräsident Staatsoberhaupt von Deutschland. Außerdem ist er der einzige, der die Ämter des Kanzlers und des Präsidenten gleichzeitig in einer Person ausübte.


Walter Scheel war ausgebildeter Banker, brachte es jedoch bis zum Bundespräsidenten.


Luftwaffe und Wirtschaft


Walter Scheel wurde am 8. Juli 1919 in Solingen in Nordrhein-Westfalen geboren. Nach dem Abitur und einer Banklehre wurde er 1939 in die Wehrmacht einberufen, um im gerade ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg zu kämpfen. Bis zum Kriegsende 1945 diente er in der Luftwaffe und brachte es bis zum Rang des Oberleutnants. Nach dem Krieg arbeitete Scheel als Geschäftsführer von verschiedenen Industriefirmen und war später Wirtschaftsberater. 1958 führte er ein Marktforschungsinstitut und gründete eine Firma zur Beratung bei Unternehmensfusionen.



Politisches Engagement



1946 trat Walter Scheel in die FDP (Freie Demokratische Partei) ein. Er wurde in den Stadtrat von Solingen und 1950 in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt. Von 1953 bis 1974 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Scheel gehörte 1956 zu den sogenannten Jungtürken in der FDP, die dafür sorgten, dass die FDP ihre Koalition mit der CDU in Nordrhein-Westfalen aufgab und stattdessen mit der SPD eine Landesregierung bildete. Bis zum Jahr 1961 gehörte er außerdem dem Europäischen Parlament an.



Franz Josef Strauß war maßgeblich an der Spiegel-Affäre beteiligt, weswegen ein neues Kabinett gebildet wurde.



1961 wurde Scheel von Bundeskanzler Adenauer in dessen viertes Kabinett als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit berufen. Doch wegen der Spiegel-Affäre trat er, wie alle anderen Kabinettsmitglieder der FDP, bereits 1962 zurück. Bei dieser Affäre wurde der Zeitschrift Spiegel nach einem kritischen Artikel über die Bundeswehr Landesverrat unterstellt und die Redaktion durchsucht, was gegen die Pressefreiheit verstieß. Vor allem Verteidigungsminister Franz Josef Strauß war maßgeblich daran beteiligt. Erst als ein neues Kabinett ohne Strauß gebildet wurde, nahmen Scheel und die anderen FDP-Politiker wieder an der Regierung teil.



Kanzler und Präsident in einem



1969 bildete sich unter Kanzler Willy Brandt eine sozialliberale Regierung und Walter Scheel wurde zum Außenminister und Vizekanzler ernannt. Er besuchte als erster Außenminister 1970 das Land Israel und trug erheblich zur Entspannungspolitik von Brandt bei. Auch bei den Neuwahlen von 1972 wurde die SPD-FPD-Koalition bestätigt. Für das Jahr 1974 ließ sich Walter Scheel zur Wahl des neuen Bundespräsidenten stellen, die am 15. Mai stattfinden sollte.



Am 7. Mai erklärte Willy Brandt jedoch seinen Rücktritt. Daraufhin wurde Scheel zum geschäftsführenden Bundeskanzler ernannt, bis am 16. Mai Helmut Schmidt gewählt wurde, und das Amt übernahm. Am 15. Mai bestimmten ihn die Mitglieder der Bundesversammlung dann zum Bundespräsident. Damit war Walter Scheel für zwei Tage gleichzeitig Kanzler und Präsident in einem, bisher einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik.



Walter Scheel empfängt US-Präsident Jimmy Carter.



Walter Scheel als Bundespräsident



Nachdem Walter Scheel 1974 zum vierten deutschen Bundespräsidenten gewählt wurde, legte er alle Ämter auf Bundes- und Parteiebene nieder, sodass er sich voll seiner neuen Aufgabe widmen konnte. Als Bundespräsident erfüllte er vor allem repräsentative Aufgaben, gab zum Beispiel Staatsempfänge. Doch er griff auch gelegentlich in die Politik ein, zum Beispiel als er sich weigerte, das Gesetz zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerern zu unterschreiben. Ansonsten befürwortete er weiter die sozialliberale Politik.



Walter Scheel ist ein sozialliberaler Politiker, der meist mit der SPD zusammenarbeitete.




Das Ende seiner Karriere



1979 hätte Walter Scheel sich für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zur Wahl stellen können. Doch zu dieser Zeit gab es in der Bundesversammlung keine sozialliberale Mehrheit, weswegen es unwahrscheinlich war, dass er die Wahl hätte gewinnen können. Deshalb stellte sich Scheel nicht mehr zur Wiederwahl und schied somit am 30. Juni aus seinem Amt aus. Als Pensionär erhält der Träger der Sonderstufe des Bundesverdienstkreuzes und Ehrenvorsitzender der FDP den Ehrensold für Bundespräsidenten außer Dienst. Er lebt mit seiner dritten Frau in Bad Krozingen.


14.04.09 // Text: Jan Wrede; Bilder: Profil: Bundesarchiv (cc-by-sa 3.0); Carter: pd (White House); Gemälde: Günter Rittner (cc-by-sas 3.0; GNU); Strauß: pd (Robert Ward)

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt