Bundeskanzler Helmut Schmidt

Am 16. Mai 1974 wurde Helmut Schmidt zum fünften Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Acht Jahre lang übte er dieses Amt aus in einer schwierigen Zeit, in der Deutschland vom Terror der RAF erschüttert wurde. Mehr über den Altbundeskanzler, Denker, Sozialdemokraten und Autoren, der bis heute ein gefragter Mann ist, lest ihr hier.

Jahrgang 1918

Foto: Helmut Schmidt

Am 23. Dezember 1918 wurde Helmut Heinrich Waldemar in Hamburg-Barmbeck geboren. Sein Vater war Studienrat und Diplomhandelslehrer. Helmut besuchte die Hamburger Lichtwark-Schule gemeinsam mit Hannelore, genannt Loki, Glaser. In einem Interview bezeichnete er sich selbst als durchaus frechen Schüler, der gerne widersprach, dem Loki bei den Hausaufgaben half und der viel ruderte. Er liebte die weltoffene Hafenstadt Hamburg.  

1937 legte er sein Abitur ab, dann leistete er den Reichsarbeits- und den Wehrdienst. Helmut Schmidt wurde Soldat im Zweiten Weltkrieg eine Erfahrung, die ihn wie die gesamte Kriegsgeneration zutiefst prägt. Noch während des Krieges heiratete er Loki, mit der er seither verheiratet ist. 1945 kam er in britische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg studierte er Volks- und Staatswissenschaft. 1946 trat er der SPD bei und wurde 1947 Vorsitzender des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes.

Karriere als Politiker

Er wird Referent und schließlich Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung in Hamburg und übernimmt 1952 das Verkehrsdezernat im Senat. Von 1953 bis 1962 ist er Mitglied des Bundestages, wo er durch hervorragende Reden hervorsticht. Schmidt bildet sich immer weiter, liest Philosophen oder politische Theoretiker. Besonders mit CSU-Politiker Franz-Josef Strauß liefert er sich gerade in militärischen Fragen große Rededuelle. 

Schmidt, der Macher

Foto: Hamburger Flutkatastrophe 1962 

1961 wird Helmut Schmidt Innensenator von Hamburg. Ein Jahr später muss er die erste große politische Bewährungsprobe überstehen. Sie bringt ihm den Ruf des "Machers" ein: Bei der Hochwasserkatastrophe 1962 (siehe Foto) leitete Schmidt die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen.

Da zu befürchten war, dass die Sturmflut allein in Hamburg unglaubliche Verwüstung und Tausende von Tote fordern würde, erbat Schmidt obwohl eigentlich nicht dazu befugt die Hilfe der Bundeswehr und der NATO-Truppen um die Hilfstruppen zu unterstützen. Durch sein energisches und umsichtiges Handeln konnte er größeren Schaden von der Stadt abwenden. 

1965 bis 1987 ist Schmidt erneut Bundestagsmitglied, 1967 wird er zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt. 1969 wird er in der Bundesregierung von Willy Brandt (SPD) Bundesverteidigungsminister. 1972 wechselt er ins Ministerium für Wirtschaft und Finanzen und wird Minister.

Schmidt als Kanzler 

Helmut Schmidt beim Parteitag der SPD 1976.

Am 16. Mai 1974 wurde Schmidt vom Bundestag zum Nachfolger des zurückgetretenen Bundeskanzlers Willy Brandt gewählt. Eine große Weltwirtschafts- und Ölkrise war das Thema der Zeit. Außenpolitisch verfolgte Schmidt wie sein Vorgänger eine Entspannungspolitik. Allerdings war er der Meinung, dass diese nur Erfolg haben könne, wenn ein militärisches Gleichgewicht zwischen Ost und West gewahrt wäre. Nach- und Wiederaufrüstung waren unter diesem Gesichtspunkt zu akzeptieren. Schmidt reiste in die USA, China und die Sowjetunion. 1975 unterzeichnete er in Helsinki die sogenannten KSZE-Verträge der "Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa". Schmidt erwarb sich mit seiner besonnenen Art viel Ansehen, vor allem im europäischen Ausland.

Bei den Bundestagswahlen 1976 gewann die SPD wieder knapp und Helmut Schmidt wurde im Amt des Bundeskanzlers bestätigt. 

Eskalation der Gewalt 

Fahndungsplakat Ulrike Meinhof

Die aus einer studentischen Protestbewegung entstandene Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) verübte in den frühen 70-er Jahren zahlreiche, blutige Attentate. Die führenden Köpfe der ersten RAF-Generation, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Andreas Baader, wurden festgenommen. Während sie in Haft saßen, ging der Terror durch die zweite Generation der RAF weiter. Generalbundesanwalt Siegfried Buback wurde ebenso getötet, wie Bankier Jürgen Ponto. Auf die Gewalt reagierte die Regierung mit verstärkten Sicherheitsvorkehrungen, Hochrüsten und Einschränkungen der Grundrechte.

Einsame Entscheidungen



Am 5. September 1977 wurde der Präsident der Arbeitgeberverbände Hanns-Martin Schleyer entführt. Mit ihm wollten die Terroristen die RAF-Häftlinge freipressen. Helmut Schmidt musste entscheiden und blieb unnachgiebig. Er wollte auf keinen Fall erpressbar werden. Daraufhin entführten arabische Terroristen die Linienmaschine Landshut mit 91 Menschen an Bord. Auch sie verlangten die Freilassung der Inhaftierten. Sie töteten den Piloten.

Helmut Schmidt setzte daraufhin die GSG 9, eine Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes ein. Sie stürmten die Maschine und befreiten die restlichen Geiseln. Auch wenn sich Helmut Schmidt mit Vertretern aller Parteien beraten hatte, so hatte er doch die Verantwortung für die Entscheidungen. Und er war bei dieser Aktion ein hohes Risiko gegangen. Hätte es weitere Tote gegeben, wäre er von seinem Amt zurückgetreten, so Schmidt später. 

Kurz darauf begingen die inhaftierten RAF-Mitglieder Selbstmord. Hanns-Martin Schleyer wurde ermordet aufgefunden. Schmidt übernahm für sein Handeln die volle Verantwortung und war tief erschüttert vom Tod Schleyers. 

Viel Kritik, auch aus seiner eigenen Partei, erntete Schmidt dafür, dass er den Ausbau der Kernenergie befürwortete und 1979 den NATO-Doppelbeschluss unterzeichnete. Darin wurde die Aufrüstung der NATO, auch die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Europa bewilligt, sofern man sich nicht mit der Sowjetunion über die Abrüstung einigen konnte.

Schmidt der Europäer 

Helmut und Loki Schmidt beim Bundeskanzlerfest 1977.

Neben dem Ausbau der deutsch-deutschen Beziehungen, war die weitere Eingliederung Deutschlands in die europäische Politik ein wichtiges Anliegen Schmidts. Dabei half ihm auch sein hervorragendes, freundschaftliches Verhältnis zum französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard dEstaing. Gemeinsam etablierten die beiden den Europäischen Rat und führten das Europäische Währungssystem (1979) ein, aus dem sich später auch der Euro entwickelte. Den wirtschaftlichen Schwierigkeiten sollte mit einer gemeinsamen, europäischen Politik entgegengetreten werden.

Schmidt wird abgewählt 

Im November 1980 wird Helmut Schmidt zum dritten Mal zum Kanzler gewählt. Kurz darauf erleidet er einen schweren Herzanfall und bekommt einen Herzschrittmacher. Nachdem die FDP-Minister der Bundesregierung Schmidts wegen unvereinbarer Meinungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik im September 1982 zurücktreten und die sozial-liberale Regierungskoalition von SPD und FDP zerbricht, wird Helmut Schmidt nach einem konstruktiven Misstrauensvotum am 1. Oktober 1982 abgewählt. Sein Nachfolger wird Helmut Kohl von der CDU.

Doch Schmidt bleibt weiter eine der wichtigsten politischen Stimmen im Land. Wie auch zuvor, verfasst er weiterhin wirtschaftspolitische Bücher und wird 1983 Mitherausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit". 1986 hält Helmut Schmidt seine Abschiedsrede im Bundestag. Er wird mit vielen Ehrungen gewürdigt und erhält zahlreiche Ehrendoktorwürden.

Der Analytiker 

Gefühlsduselei liegt ihm nicht, so scheint es. Es gibt nur wenige Menschen, die er tatsächlich duzt. Selbst langjährigen Freunden, wie dem früheren amerikanischen Außenminister Henry Kissinger oder dem ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard dEstaing, hat er nie das "Du" angeboten. Einen Staatsmann bezeichnet er selbst als einen seiner besten Freunde: den ermordeten ägyptischen Ministerpräsidenten Anwar as-Sadat, der ihm das Verständnis für die arabische Kultur vermittelte.

Doch auch wenn er scheinbar hanseatisch kühl wirkt, so gilt Schmidt als äußerst verlässlicher, treuer und kluger Partner, der zu seinem Wort steht, der genau analysiert und der eine sehr klare Meinung von den Dingen hat deshalb schätzen ihn seine Freunde wie auch seine Gegner. "Ja"-Sager mag er nicht, wesentlich lieber ist ihm eine fundierte Kritik. Seine politischen, moralischen und sozialen Gedanken wägt er immer mit dem tatsächlich Machbaren ab. Utopien oder Visionen sind ihm fremd.

Auch mit 90 verfolgt er die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen. Sein Wort hat noch immer Gewicht und noch immer meldet er sich mit seinen Artikeln und Reden zu Wort. Noch immer besticht er mit einem unglaublichen Gedächtnis und einer hervorragenden Sachkenntnis. Und noch immer vertritt er seine eigene, fundierte und klare Meinung die muss man sicher nicht teilen, aber man kann dazu eine Haltung beziehen und das macht ihn heutzutage unter Politikern so eindrucksvoll anders und einzigartig.

P.S. Viel zu kurz kam in diesem Artikel Loki Schmidt, da sie ganz erheblichen Anteil an der Karriere ihres Mannes hat!

-ab-23.12.2008 Text / Fotos: Helmut Schmidt 1974: Deutsches Historisches Museum ; Hamburg 1962: mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Pietsch /PD; Schmidt 1976 auf dem SPD-Parteitag in Dortmund: Deutsches Bundesarchiv /Ludwig Wegmann; Fahdnungsfoto Meinhof: DHM; Loki und Helmut Schmidt auf dem Bundekanzlerball 1977: Deutsches Bundesarchiv / Reinck.

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt