Auge um Auge, Zahn um Zahn

Amerika ist das einzige westliche Industrieland, in dem die Todesstrafe verhängt und ausgeführt wird. In Deutschland steht die Todesstrafe noch in den Verfassungen einiger Länder, so zum Beispiel Hessen. Aber durch das Grundgesetz wurden solche Paragraphen außer Kraft gesetzt. Von den über 750 Todesurteilen bis Ende 2001 wurden mehr als ein Drittel in Texas vollstreckt, dem Bundesstaat, in dem auch George Bush Gouverneur war. Der Gouverneur hat als letzter die Möglichkeit, eine Hinrichtung zu stoppen. Bush brüstet sich damit, zur Prüfung eines Falles nie mehr als 15 Minuten gebraucht zu haben. Begnadigt wurde niemand.

WiW: Arndt, wie sind die Umstände deines Falles?

AP: Eine schwierige Frage, denn es geht in Renos Fall nicht mehr um Schuld oder Unschuld, sondern nur noch darum, ob Fehler im Verfahren gemacht wurden. Reno wurde 1978 verhaftet und sitzt seit 1980 im Todestrakt von San Quentin. Er betont nach wie vor, er sei unschuldig. Seine Prozessakte weist einige Fragwürdigkeiten auf. So wurde er mit Hilfe einer Skizze verhaftet, die eine Hellseherin auf Bitten der ermittelnden Polizei erstellt hat. Schwierig ist sein Fall auch deswegen, da keine DNA-Beweise vorliegen, oder nicht mehr vorliegen. Nur in 30 Prozent aller Fälle liegen solche Beweise vor.

WiW: Wann wird die Todesstrafe verhängt? Gibt es Umstände, bei denen die Todesstrafe nicht verhängt werden kann, z.B. aufgrund des Alters oder psychischer Krankheit?

AP: Die Todesstrafe wird bei Mord mit besonderen Umständen verhängt, zum Beispiel dann, wenn besondere Brutalität oder Vergewaltigung mit im Spiel war. Theoretisch dürfen Kinder und Jugendliche (nach internationalem Recht) und auch Geisteskranke nicht zum Tode verurteilt werden. Doch viele Staaten in den USA haben Gesetze verabschiedet, mit denen bereits 17jährige in die Todeszellen geschickt werden können. Und im Falle der Geisteskrankheit ist das immer eine Auslegungssache. Ich kenne persönlich Fälle von

Geisteskranken in San Quentin, die auf ihre Hinrichtung warten. Doch vor Gericht wurden sie als "normal" eingestuft.

WiW: Wird in allen US-Bundesstaaten hingerichtet? Wie steht es um Justizirrtümer?

AP: Nein, nicht in allen Staaten der USA wird hingerichtet, doch in einem Großteil. Und sicherlich gibt es Fehlurteile. Mir fällt da sofort ein Fall ein, in dem eine Frau und ihr Freund in Florida für den Mord an einem Polizisten zum Tode verurteilt wurden. Beide betonten ihre Unschuld. Schließlich konnten die Anwälte der Frau erreichen, dass DNA Untersuchungen gemacht wurden, die eindeutig die Unschuld der beiden bewiesen. Leider zu spät. Der Mann war bereits hingerichtet worden, die Frau hatte schon unschuldig rund 15 Jahre im Todestrakt von Florida verbracht und ihre gemeinsame Tochter war bei der Verhaftung zur Adoption gegeben worden.

WiW: Wieso dauert es teils mehr als zehn Jahre bis, es zu einer endgültigen Entscheidung über Vollstreckung des Urteils, Umwandlung in lebenslänglich oder sogar zum Freispruch kommt?

AP: Das dauert oftmals sogar noch länger, wie im Falle von Reno, der kein Einzelfall ist. Das liegt an einigen Rahmenbedingungen. Wer kein Geld hat, dem wird ein Anwalt zugesprochen. Doch es gibt nicht genügend Anwälte, die die schlecht bezahlten und aufwändigen Fälle von zum Tode Verurteilten übernehmen wollen. Deshalb sitzen viele Gefangene zum Teil ohne Anwälte da. Reno zum Beispiel hatte fünf Jahre lang keinen Anwalt. In dieser Zeit ging nichts, denn ohne Verteidiger kann er keinen Einspruch einleiten. Es gibt darüber hinaus einige Einspruchsmöglichkeiten auf staatlicher und nationaler Ebene. Doch das alles geht nicht besonders schnell, denn es gibt so viele Fälle.

WiW: Wie steht es um Begnadigungen?

AP: Bislang wurde seit der Wiedereinführung der Todesstrafe in Kalifornien kein zum Tode Verurteilter begnadigt. Viele hofften auf Arnold Schwarzenegger, der ja aus Österreich kommt und man dort gegen die Todesstrafe ist. Doch Schwarzenegger hat bislang noch kein Zeichen gegeben, dass er gegen die Todesstrafe sei. Ganz im Gegenteil, er befürwortet die Höchststrafe.

WiW: Wo liegen die Probleme und Unterschiede im amerikanischen Rechtssystem im Gegensatz zu Deutschland?

AP: Ich glaube, das größte Problem ist das US-Rechtssystem. In Deutschland werden Richter, Staatsanwälte, Polizeichefs bestimmt. Hier in den USA werden sie gewählt. Damit macht man sie abhängig von öffentlichen Meinungen und Geldgebern, die Wahlkämpfe finanzieren. Nach wie vor gilt man als hart und streng, wenn man für die Todesstrafe ist. Wer dagegen ist, gilt als Weichling und verantwortlich dafür, dass es so viel Kriminalität gibt.

Und im Falle der Jury (Geschworene), diese müssen oftmals sehr komplexe Dinge begreifen und verarbeiten. Wer kann, versucht sich von der Jury befreien zu lassen. Oftmals sitzen also nicht gerade die "hellsten Köpfe" auf der Jury-Bank.

Viele Minderheitsangehörige, wie Schwarze und Latinos, sitzen in der Todeszelle. Das belegt zum einen, dass die Todesstrafe eine Strafe für die Armen ist, denn wer Geld hat, kommt nicht auf Death Row. Zum anderen ist die Chance für einen Schwarzen, der einen Weißen umbringt, weitaus höher zum Tode verurteilt zu werden, als für einen Weißen, der einen Schwarzen umbringt.

WiW: Wie ist die aktuelle Entwicklung in Amerika?

AP: Der Großteil der Amerikaner ist für die Todesstrafe. Die Diskussion, die sich derzeit in den USA abspielt, geht eher dahingehend, dass man sicher gehen will, nur Schuldige hinzurichten. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Hinrichtung weiterhin als Strafe in den USA gesehen wird. Ich glaube nicht, dass sich das in naher Zukunft ändern wird.

WiW: Danke für das Gespräch, Arndt!

Text: -jj-

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