200 Jahre bürgerliche Gesetzgebung in Europa

Am 21. März 1804 trat der Code civil als Zivilgesetzbuch (=Gesetz, das das gesellschaftliche Zusammenleben regelt) in Frankreich in Kraft. Der Code civil löste eine lange Phase rechtlicher Ungleichheiten und Unsicherheiten im französischen Staatsgebiet ab. Zugleich aber knüpfte der Code civil an eine mehr als 1500 Jahre alte Tradition aus dem Orient an. Damals hatte der byzantinische Kaiser Justinian einen ähnlichen Schritt unternommen, um das Recht in seinem Staatsgebiet zu vereinheitlichen.

Ein Staat viele Rechtsräume

In der Zeit vor der Französischen (bis 1789) folgten die Menschen in verschiedenen Gebieten des Landes verschiedenen Gesetzen. Diese waren traditionell überliefert und in weiten Teilen Frankreichs noch nicht einmal aufgeschrieben. Dieses System stammte noch aus der Zeit, als Frankreich von verschiedenen Stämmen beherrscht wurde und war damit gegen Ende des 18. Jahrhunderts bereits über tausend Jahre alt! Erst mit Ausbruch der Revolution, die unter anderem ein einheitliches und unteilbares Frankreich forderte, erkannte man, wie unbrauchbar die alten Rechtszustände geworden waren.

Ein Plan und mehrere Anläufe

Die französische Verfassung des Jahres 1791 betont zum ersten Mal die Notwendigkeit eines für alle Franzosen geltenden Zivilgesetzbuches. Zunächst war wegen der Wirren der Französischen Revolution keine Zeit, diesen Plan durchzusetzen. Erst 1793 gibt daher der Konvent, die französische Volksvertretung unter Maximilian Robespierre den Auftrag, einen ersten Entwurf des Code civil vorzubereiten. Hiermit betraut sie den genialen Juristen Jean-Jacques Régis de Cambacér¨s. Er soll als Präsident des Gesetzgebungskomitees diese Arbeit in nur einem Monat bewerkstelligen. Im August legt Cambacér¨s seine Arbeit vor. Der Entwurf wird abgelehnt, so wie auch zwei Folgeentwürfe.

Wie ein revolutionäres Projekt ein Kaiserliches wurde

Erst 1799, im Jahr der Machtübernahme Napoleons in Frankreich, ist der Code civil so gut wie fertig. Der Erste Konsul, wie sich der spätere Kaiser als Regierungsoberhaupt noch nennt, beruft Cambacér¨s zum Justizminister und setzt im Jahre 1800 ein vierköpfiges Gremium zur endgültigen Ausarbeitung des Zivilgesetzbuches ein. Dessen Vorschläge werden zwischen 1801 und 1804 insgesamt 109-mal in der Regierung diskutiert. Die Tatsache, dass bei 57 Sitzungen Napoleon selbst den Vorsitz führt, zeigt, wie wichtig ihm dieses Projekt ist. Anfang März 1804 werden die unter 36 Titeln gebündelten 2281 Artikel in einem Werk zusammengefasst, das schließlich am 21. März 1804 in Kraft tritt.

Welche Neuerungen brachte der Code civil?

Das Gesetzbuch formulierte zum ersten Mal für alle Franzosen verbindlich die Errungenschaften der Französischen Revolution. Ab jetzt galten alle Bürger als gleich vor dem Gesetz und als grundsätzlich freie Wesen. Die freie Wahl des Glaubens sowie der Arbeit wurden zugesichert. Jedem Bürger wurde das Recht gegeben, privates Eigentum zu besitzen und Grundstücke kaufen zu können.

Das alles sind Rechte, die man heute in Westeuropa als selbstverständlich ansieht. Doch wenn man überlegt, dass diese Tradition auf dem europäischen Festland erst 200 Jahre alt ist, wird man diese Errungenschaft mit etwas anderen Augen betrachten.

Trotzdem hatte der Code auch Mängel. So schrieb er beispielsweise im Familienrecht die klare Unterordnung der Frau unter den Mann fest und das obwohl die Frauen gerade dabei waren, sich zu emanzipieren.

Von Frankreich aus trat der Code civil dann seinen weiteren Weg an. Durch Napoleon in etliche besetzte Gebiete gebracht, hat er seither die Rechtsgeschichte vieler europäischer Länder geprägt und spiegelt sich noch heute in deren Rechtsordnungen wider.

In Frankreich gilt der Code civil bis heute, auch wenn ungefähr ein Siebtel der Artikel geändert wurden. Napoleon selbst hatte also Recht behalten, als er vom Code civil sagte, er sei das einzige seiner Werke, das wirklich ewig überdauern werde.

Rafael Treml - 18.03.04

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