Moderne Piraten

Beim Wort "Piraten" denken wir normalerweise an Abenteuerromane wie "Die Schatzinsel" oder Filme wie "Fluch der Karibik". In unserer Vorstellung entstehen Bilder von historischen Segelschiffen und Männern mit Degen oder Musketen. Kaum vorstellbar ist es, dass es heute immer noch Piraten gibt, doch mit den romantischen Abenteuerhelden haben die Seeräuber von heute nichts gemein.

Die Seefahrt und den Handel zur See gibt es schon sehr lange. Flüsse und Meere sind traditionelle Transportwege, und immer haben Räuber versucht, die beladenen Schiffe zu überfallen und an die Ladung heranzukommen. Das älteste Schriftstück, in dem von Seeräubern die Rede ist, ist ein Brief aus dem Jahr 1350 vor Christus und wurde im Staatsarchiv des ägyptischen Pharaos Echnaton gefunden. Der Brief ist in eine Tontafel geritzt. Darin steht, dass die Küste Nordafrikas Jahr für Jahr von Seeräubern aus dem Süden der heutigen Türkei heimgesucht wird. Wie die Piraten hießen und wer sie genau waren ist nicht überliefert.

"Piraterie" - ein Wagnis

Das Wort "Piraterie" leitet sich von dem griechischen Wort "peiran" ab. Es bedeutet so viel wie "wagen, unternehmen, versuchen". Später wurde die zunächst nur für die griechischen Seeräuber gebräuchliche Bezeichnung "peirates" in die Sprache aller seefahrenden Völker übernommen - unabhängig davon, ob sich die Piraten selbst Seeräuber, Kaper, Korsar, Likedeeler oder Filibustier nannten.

Das "goldene Zeitalter" der Piraterie

Piratenfilme und Romane spielen überwiegend im karibischen Raum in der Zeit vom 16. bis ins 18. Jahrhundert. In dieser Epoche lieferten sich alle seefahrenden europäischen Nationen auf See einen dauerhaften, hartnäckigen Krieg, egal, ob sich dieselben Nationen auf dem europäischen Festland gerade im Krieg befanden oder nicht. Die Grenze zwischen offiziellen Kaperfahrern der Königshäuser und illegalen Piraten ließ sich nicht mehr ziehen. Das Phänomen des Freibeuters entstand. Die Regierungen wollten sich einen Anteil der Reichtümer der Neuen Welt holen und gleichzeitig den Handel ihrer Konkurrenten stören. Erst um 1700 war den Großmächten ein gesicherter Seehandel wichtiger als die Schwächung anderer Staaten. Von da an wurden die Piraten bekämpft und vertrieben, so dass sie sich andere Zufluchtsstätten außerhalb der Karibik suchten, wie die Küsten Nordamerikas, Westafrikas oder Madagaskar. Aber auch hier wurden sie nach und nach vertrieben. Das goldene Zeitalter der Piraten endete noch im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts.

Moderne Zeiten

Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurde die Seeräuberei immer mehr zurückgedrängt. Das hing nicht nur mit der Entwicklung und Durchsetzung des Internationalen Seerechts zusammen, sondern auch mit dem Ende der großen Segelschiffe und dem Aufkommen schneller Dampfschiffe. Erst seit ungefähr 1990 stellt die Piraterie in einigen Regionen wieder eine ernsthafte Gefahr dar und nimmt sogar wieder zu.

Aufmerksam wurde die Öffentlichkeit 1991, als der Tanker Nagasaki Spirit von Piraten überfallen und ausgeraubt worden war. Die Seeräuber ließen das große Schiff führerlos zurück und es trieb durch die Straße von Malakka, bis es mit der Ocean Blessing kollidierte. 12.000 Tonnen Öl gelangten dadurch ins Meer, 51 Menschen starben.

Die Straße von Malakka verläuft zwischen der malaiischen Halbinsel und der Insel Sumatra, hat eine Länge von etwa 800 km und ist einer der Hauptschwerpunkte moderner Piratenüberfälle. Täglich wird sie von ungefähr 2.000 Schiffen befahren. Fast jede Nacht kommt es dort zu Piratenüberfällen. Am 9. Januar 2004 wurde z. B. der Tanker Cherry 201 gekapert. Nach langen Lösegeldverhandlungen wurden vier Seeleute von den Piraten erschossen.

Piraten vor Somalia

Somalia ist ein Staat im äußersten Osten Afrikas. Er grenzt im Osten an den Indischen Ozean, im Norden an den Golf von Aden, im Westen an Dschibuti und Äthiopien und im Süden an Kenia. Der Landesname ist vom Volk der Somali abgeleitet, das auch in den Nachbarländern ansässig ist. Seit 1991 befindet sich das Land im Bürgerkrieg. Einen Teil des Landes kontrolliert eine Übergangsregierung im Rest herrschen lokale Clans, Kriegsherren und andere Akteure. So hat sich die Piraterie vor der Küste Somalias zu einem profitablen Geschäft entwickelt. Zu den vielen Tausend Seeräubern gehören ehemalige Fischer, Bürgerkriegskämpfer und Geschäftsleute.

Neben dem Bürgerkrieg und seinen Folgen sehen Experten auch die illegale Überfischung der somalischen Gewässer durch europäische Schiffe als Ursache für die Piraterie an. Die Entziehung ihrer Lebensgrundlage hat die somalischen Fischer in die Piraterie getrieben.

Die Piraterie in Somalias Gewässern ist nicht nur eine Gefahr für die internationale Schifffahrt, sondern bedroht auch die Lieferung der Nahrungsmittelhilfe für Millionen Somalier.

Spektakuläre Vorfälle

2005 wurde die Öffentlichkeit auf Somalias Piraten aufmerksam, als diese das Passagierschiff Seabourn Spirit aus kleinen Booten heraus mit Maschinengewehren und Panzerfäusten angriffen. Dabei war eine Person auf dem Ozeanriesen verletzt worden.

2008 passierte dann so viel, dass die Piraten von der internationalen Staatengemeinschaft als bedrohliches Problem erkannt wurde: Im April wurde die französische Yacht Le Ponant gekapert und 30 Seeleute als Geiseln genommen. Ein Hubschrauberangriff der französischen Streitkräften beendete die Situation. Vier der Piraten gehörten dem Clan des Präsidenten Somalias Abdullahi Yusuf Ahmed an.

Im September kaperten Piraten den ukrainischen Frachter Faina mit 30 schweren Panzern an Bord.

Am 15. November kam es zum bisher Aufsehen erregendsten Vorfall, als der Supertanker Sirius Star mit 25 Besatzungsmitgliedern in die Hände von Piraten fiel. Bemerkenswert war die Beute der Piraten, denn  allein das Schiff hatte einen Wert von über 150 Millionen Euro. Dazu kam die Schiffsladung von zwei Millionen Fass Rohöl im Wert von ca. 80-90 Millionen Euro.

Am 28. November wehrte die deutsche Fregatte Mecklenburg-Vorpommern im Golf von Aden einen vermuteten Piratenangriff zweier Schnellboote auf das Kreuzfahrtschiff MS Astor ab.

Bekämpfung der Piraten

Die somalische Übergangsregierung besitzt keine Marine. Um gegen Piraten vorzugehen, hat sie gelegentlich somalische Gewässer für ausländische Marineschiffe frei gegeben. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat im Oktober 2008 alle Staaten in der Region dazu aufgefordert, mit Kriegsschiffen gegen die Piraten vorzugehen. Die NATO schützt Schiffsconvoys des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen und schickt Kriegsschiffe, um die Frachter in die Häfen zu eskortieren.

Da im Völkerrecht die Piratenbekämpfung durch Seestreitkräfte erlaubt ist, darf die Bundesmarine tätig werden. Ein Angriff durch Piraten ist ein Seenotfall. Alle Schiffe, die von einem Notfall erfahren, sind, soweit sie sich nicht selbst in Gefahr bringen, zur Hilfeleistung verpflichtet.


Weitere gefährliche Schurken findest du auf der CD/ Seeräuber/Schiffe,

im WAS IST WAS-Band 71 "Piraten" und im

 

 

 

 

 

 

 

WAS IST WAS Band 96 Schatzsuche.


Text: RR, 29. 12. 2008, Bilder: Manuel Strehl/WarX (Piratenflagge), Howard Pyle (Illustration Pirat der Karibik), Jason R. Zalasky/US Navy (Piraten an Bord), William S. Stevens/US Navy (Tanker Sirius Star), Wikipedia (Karte der Küste Somalias)

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt