Winchester Ein Gewehr erobert den Wilden Westen

Ob Old Shatterhands Henry-Stutzen oder Titelgeber diverser Hollywood-Western kein Gewehr erreichte die Berühmtheit der Winchester. Das erste Serienmodell aus dem Jahr 1866 wurde 30 Jahre lang gebaut und steht heute noch weltweit bei vielen Sammlern in den Schränken.

Der Wilde Westen der USA wurde im 19. Jahrhundert mit der Waffe erobert. Die Siedler aus dem alten Europa mussten sich nicht nur gegen Tiere und Indianer zur Wehr setzen, sondern auch gegen gesetzlose Verbrecher und Banditen. Dem damals noch dünn besiedelten Land fehlte es an Polizisten, Gerichten und Gefängnissen. Wer beispielsweise in New York von der Polizei gesucht wurde, verschwand Richtung Texas und Kalifornien.

Aus diesem Grund musste sich jeder selbst verteidigen können. Die meisten Männer besorgten sich deshalb Waffen. Die heutige Besessenheit der US-Amerikaner von Waffen aller Art ist ein Nachhall dieser Zeit.

Allerdings waren die Schusswaffen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch sehr unzuverlässig. Erst später trafen Gewehre und Schrotflinten Dank des langen Laufs ihr Ziel recht genau.  Wer unauffällig eine Waffe bei sich tragen wollte, steckte dennoch lieber eine Pistole ein.

Benjamin Tyler Henry


Die Konstruktion, die als Winchester-Gewehr oder umgangssprachlich einfach als Winchester bezeichnet wird, hat sich schrittweise ab den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelt. Gewehre waren damals noch Vorderlader, das heißt, dass die Munition von vorne durch den Lauf geschoben werden musste, eine mühsame und nicht ganz ungefährliche Prozedur. Damals wurde Benjamin Tyler Henry auf die ersten Versuche mit Hinterlader-Gewehren und mit Metallpatronen aufmerksam. Auf deren Basis begann er mit der Konstruktion eines neuen Repetiergewehrs.

Der Verschluss wurde horizontal durch den verlängerten und zum Handschutz umgeformten Abzugsbügel vor- und zurückbewegt. Dadurch wird ein außenliegender Hahn niedergedrückt und gespannt. Die leere Patronenhülse wird dabei ausgeworfen. Henry verwendete eine selbst entwickelten Randfeuerpatrone im Kaliber 44 mit Hülse. Das Magazin, das in den Lauf integriert war, konnte 15 Patronen hintereinander aufnehmen.

Die Waffe wurde nach ihrem Konstrukteur Henry-Rifle benannt. Als sie auf den Markt kam, herrschte gerade der amerikanische Bürgerkrieg und löste eine gewaltige Nachfrage an Waffen aus. So wurden in den Jahren 1860 bis 1866 rund 14 000 Henrygewehre hergestellt.

Karl May beschreibt in seinem ersten Winnetou-Roman die Begegnung Old Shatterhands mit dem Konstrukteur. So wurde der Henry-Stutzen erstmals in Deutschland bekannt. Die Schilderung des Autors ist aber reine Phantasie. Benjamin Tyler Henry war keineswegs der kautzige Eigenbrötler, als den Karl May ihn beschreibt.


Vom Textilfabrikanten zum Waffenproduzenten


1861 ging Benjamin Tyler Henry eine Partnerschaft mit dem Textilfabrikanten Oliver Winchester ein, weil er selber mehr Tüftler und weniger Geschäftsmann war. Winchester nahm die Waffe in sein Sortiment auf und vertrieb die Konstruktion zusammen mit Arbeitskleidern und Hemden unter seinem eigenen Namen. In der gemeinsamen Firma trat der Name Henry-Rifle schließlich in den Hintergrund, ebenso wie die Hemdenproduktion. 1866 wurde die Firma in "Winchester Repeating Arms Company" umbenannt und neu organisiert.

Erstes Gewehr in Serienfertigung



Die ständige Verbesserung der Waffen brachte den Fabrikanten üppige Gewinne. Das erste Winchester Gewehr war das Modell 1866, eine gründliche Überarbeitung des Henry-Gewehrs mit einem verbesserten Systemkasten. Die Waffe wurde mit einer seitlichen Ladeklappe ausgerüstet, so dass das Röhrenmagazin nicht mehr umständlich von vorn geladen werden musste.

Die Modelle 1866 und 1873 brachten Winchester den eigentlichen Durchbruch. Dabei blieben die erhofften Aufträge der US-Armee nach dem Ende des Bürgerkrieges aus. Winchester blieb nichts anderes übrig, als Waffen zu exportieren. Ab 1870 lieferte er rund 50.000 1866er Gewehre und Karabiner in die Türkei.

In der neuen Welt konnten sich damals die wenigsten solch eine Waffe leisten. 1878 kostete z.B. ein Modell 1866 20 US-Dollar und ein 76er Jagdgewehr sogar 35 Dollar, wobei ein Cowboy damals nur ca. 30 Dollar im Monat verdiente.


Winchester 73


Die 1866 war durch den blankpolierten Messingkasten von weitem sichtbar und als Yellow Boy bezeichnet. Sie war trotz des hohen Preises so populär, daß sie über 30 Jahre lang auf dem Produktionsplan von Winchester stand. Natürlich gab es in dieser langen Zeit verschiedene Varianten: Vom Carbine über die Sporting Rifles bis hin zur Muskete. Schließlich wurde sie nur noch von einer Berühmtheit übertroffen, der 1873, die sogar zu Filmehren gelangte. Der Western Winchester 73 mit James Stewart in der Hauptrolle, erzählt die Geschichte eines dieser Gewehre.

Der Siegeszug der 73 begann allerdings erst im Jahr 1878 richtig, als Samuel Colt seinen Revolver ebenfalls im Kaliber 44 auf den Markt brachte. Da die wenigsten Cowboys mehrere Munitionssorten mit sich herumtragen wollten, bedeutete es einen großen Kaufanreiz, nun ein und dasselbe Kaliber aus Revolver und Gewehr verschießen zu können.


Die Legende bleibt


Kennzeichnend für die vielen Repetiergewehre, die Winchester seit den 1860er Jahren auf den Markt brachte, ist die Benennung nach dem Jahr der Einführung (Winchester 66, Winchester 73, Winchester 76 Winchester 86, Winchester 92, Winchester 94, Winchester 95 usw.). Sie drückten wie kein anderer Hersteller ihren Erzeugnissen den Stempel der Unverwechselbarkeit auf - so werden die klassischen Unterhebelrepetierer als Winchester bezeichnet, obgleich es eine ganze Reihe anderer und keinesfalls unbedeutender Hersteller dieser Art Waffen gibt. Heute produziert die Firma Winchester vor allem hochwertige Jagdgewehre (Repetierbüchsen und Flinten) in allen gängigen Konfigurationen und Kalibern. Daneben vertreibt Winchester Munition für Jagd und Sport, Fan-Artikel und vielfältige Acessoires für Jäger und Sportschützen.


Text und Bilder: RR, 19. 7. 2006

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