Seit 1874: Das Ja-Wort auf dem Standesamt

Wenn ein Paar heiraten möchte, so führt der erste Weg zum Standesbeamten. Das war aber nicht immer so. Bis 1874 hatte in Deutschland allein die Kirche das Recht, Ehen zu schließen und wieder aufzulösen. 1874 wurde dieses Privileg aufgehoben: In Preußen, ein Jahr später in ganz Deutschland, wurde die Zivilehe eingeführt.

Das bedeutet, dass Ehen von nun an nur noch auf dem Standesamt geschlossen werden mussten. Der kirchliche Segen, den ein Paar bei der Trauung durch einen Geistlichen empfängt, war nicht mehr nötig, um als rechtmäßig verheiratet zu gelten. Das ist auch heute noch so: Wenn sich ein Paar in der Kirche das Ja-Wort gibt, ist das mehr ein symbolischer Akt. Vor dem Gesetz verheiratet ist man schon vorher.

Foto: So sah ein Hochzeitspaar um 1900 aus. Weiße Brautkleider waren damals noch nicht üblich.

Auf dem Weg zum modernen Staat 

1874 hatte die Einführung der zivilen Behörden machtpolitische und praktische Gründe: Das deutsche Kaiserreich war drauf und dran, ein moderner Industriestaat zu werden. Reichskanzler Bismarck wollte deshalb einerseits die staatliche Verwaltung besser durchorganisieren, andererseits die Macht der Kirche einschränken und von ihr ausgeführte Ämter auf den Staat übertragen.

Ein Gesetz tritt in Kraft

Am 23. Januar war die Einführung der Standesämter beschlossene Sache: der Preußische Landtag verabschiedete das so genannte Preußische Personenbeurkundungsgesetz. Darin war festgelegt, dass Eheschließungen, aber auch Geburten und Sterbefälle, künftig von einer zivilen staatlichen Stelle durch einen Standesbeamten beurkundet werden müssen.

 

Bismarck setzt sich durch

Bismarck hatte sein Ziel erreicht: Er hatte sich nach jahrelangen Machtrangeleien - auch Kulturkampf genannt - gegen die katholische Kirche durchgesetzt. Ab sofort stand dem Staat eine effektive Methode der Volkszählung und -registrierung zur Verfügung. Das war zum Beispiel wichtig, wenn Steuern eingetrieben oder junge Männer für den Wehrdienst eingezogen werden sollten. 

 Foto: Schild eines Standesamts in Nordrhein-Westfalen





Heiraten wird einfacher


Auch das Problem religiös gemischter Ehen bekam man in den Griff. Vor 1874 war es nämlich nicht ohne weiteres möglich, dass z.B. ein Protestant eine Jüdin ehelichte oder ein Katholik eine ungetaufte Frau. Ab 1874 konnte nun problemlos in Preußen zwischen den Religionen geheiratet werden. Zwei Jahre später war das auch in ganz Deutschland möglich.

1874 wurden die ersten 13 Standesämter in Berlin geöffnet. In den Folgejahren verbreiteten sich unzählige Behörden im ganzen Reich. Anfangs galten die bürgerlichen Eheschließungen noch als Sensation, die sogar Schaulustige anlockten. Heute ist der Gang zum Standesamt ganz normal geworden. Aus religiösen Gründen oder um des festlichen Rahmens willen, heiraten aber immer noch viele Paare zusätzlich in der Kirche.



Foto: Eine Trauung im Standesamt


Nic - 22.1.2003 / akt. 27.9.2012, Fotos: Schuld: GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Urheber: Bubo, Hochzeitspaar Standesamt: GNU-Lizenz für freie Dokumentation: Author: Ralf Roletschek (User:Marcela), Brautpaar 1900: pd 

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