Kaspar Hauser: Rätselraten um einen Findling

Kaspar Hauser ist wohl das berühmteste Findelkind Europas. Seit der verwahrloste Junge am 25. Mai 1828 auf dem Nürnberger Marktplatz auftauchte, ranken sich allerlei Spekulationen um seine möglicherweise noble Herkunft. War er ein Prinz? Wurde er tatsächlich jahrelang gefangen gehalten? Oder war er nichts weiter als ein geistig verwirrter Mann aus Tirol? Fragen, von denen einige womöglich nie ganz geklärt werden können.

Geburtsdatum unklar

Bis heute steht auch nicht fest, wann Kaspar Hauser zur Welt kam. Man vermutet aber den 30. April 1812. Dieses Geburtsdatum stammt aus einem rätselhaften Brief, den Kaspar bei seinem Auffinden in Nürnberg bei sich trug.

Der seltsame Findling

Die Herkunft des verstörten, etwa 16 Jahre alten Jungen wurde aus dem anonymen Schreiben jedoch nicht ersichtlich. Dort stand lediglich zu lesen, dass der Verfasser aus Angst vor Bestrafung seinen Namen nicht nennen will und dass er Kaspar als künftigen Soldaten für die königlichen Regimente schickt. Zu diesem Zweck hatte man den Brief an einen Nürnberger Rittmeister adressiert und Kaspar den Satz beigebracht: Ich möchte` ein solcher Reiter werden wie mein Vater einer war. Auf dem Polizeirevier schaffte er es mit Mühe, seinen Namen auf ein Stück Papier zu kritzeln: Kaspar Hauser.

Lichtscheu und panisch schreckhaft

Der Junge muss einen erbarmungswürdigen Anblick abgegeben haben, als man ihn am besagten Pfingstmontag in Nürnberg aufgriff. Er war stark verängstigt, lichtscheu, stammelte nur wirres Zeug und zeigte Behinderungen, die auf mangelnde körperliche Bewegung schließen ließen. Auf dem Polizeirevier stellte sich heraus, dass er scheinbar nur mit Wasser und Brot aufgewachsen war. Alle anderen Speisen lehnte er angeekelt ab.

Als Kuriosum ausgestellt

Fortan wurde Kaspar Hauser von mehreren Pädagogen, Ärzten und Theologen beobachtet, in den üblichen Sitten und Gebräuchen sowie der menschlichen Sprache unterwiesen. Für die damalige Gesellschaft stellte er ein Kuriosum dar.  Nie zuvor hatte man so hautnah miterlebt, wie ein Mensch die einfachsten Errungenschaften der Zivilisation erst im Erwachsenenalter kennenlernte. Nach zwei Jahren hatte der Findling seinen Bildungsrückstand aufgeholt. Er konnte sprechen, malen und fing sogar zu dichten an.

Doch musste er immer wieder umziehen, wohnte bei sechs verschiedenen Vormündern, erst in Nürnberg und ab November 1831 in Ansbach.

Zwölf Jahre Dunkelhaft

Doch der seelische Schaden, den der Junge in seiner Kindheit erlitten hatte, saß tief. Noch immer zeigte Kaspar allerlei merkwürdige Verhaltensweisen. Seine Betreuer waren inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass er mindestens ab dem dritten oder vierten Lebensjahr in Dunkelhaft gehalten worden war und in dieser Zeit keinen Kontakt zu Menschen hatte. Diese Annahmen gaben Anlass zu allerlei Spekulationen über seine Herkunft, die noch immer fortdauern.

Die Prinzen-Theorie

Die bis heute spektakulärste und bekannteste Variante ist die so genannte Prinzen-Theorie. Vertreter diese These nehmen an, dass Kaspar Hauser ein Erbprinz des Hauses Baden war, der als Baby heimlich beiseite geschafft wurde. Damit habe eine Seitenlinie des Adelsgeschlechts den unliebsamen männlichen Nachkommen loswerden und sich die Erbfolge kriminell erzwingen wollen.

Genanalyse

Das mögliche Verwandtschaftsverhältnis zum Hause Baden wurde so lange diskutiert, bis sich die noblen Nachfahren 1996 endlich zu einer Blutprobe bereit erklärten. Durch einen so genannten genetischen Fingerabdruck sollte überprüft werden, ob die Prinzen-Theorie tatsächlich Bestand hat oder nur ein Hirngespinst ambitionierter Historiker ist.

Bei diesem genanalytischen Verfahren wurden die DNS-Stränge von Kaspar Hauser und seinen potentiellen Verwandten untersucht. Durch den Vergleich der Oberflächenstruktur konnte überprüft werden, ob die Erbinformationen zusammenpassen oder nicht.

Unterhose als Beweisstück

Möglich wurde dieser Test übrigens nur durch eine Blutprobe, die bis heute von dem berühmten Findling konserviert ist. Als er am 17. Dezember 1833 in Ansbach an den Folgen eines heimtückischen Mordanschlags starb, wurden seine blutbefleckte Unterhose und die restliche Kleidung als wichtige Indizien aufbewahrt. Sie sind bis heute im Stadtmuseum von Ansbach unter Panzerglas zu sehen.

Doch wie groß war die Enttäuschung, als das Testergebnis negativ ausfiel. Kaspar Hauser kann kein Prinz gewesen sein zumindest aus dem Hause Baden stammt er offensichtlich nicht.

Hausers Haarprobe

Doch 2002 kam es zu einem neuen Gentest. Diesmal dienten die Haare, die noch an seinem Kaspars Hut hingen, sowie eine Haarlocke, die ein ehemaliger Vormund von ihm aufbewahrt hatte als Beweisstücke. Das Erbgut der verschiedenen Haarproben stimmte untereinander überein. Interessanter Weise hatte es jedoch keine Gemeinsamkeiten mit der Blutspur auf der Unterhose. Eventuell war das Blut auf der Hose also gar nicht von ihm.

Und jetzt kommt die wichtigste Entdeckung: Das genetische Profil der Haarproben war bis auf ein Detail mit dem von Astrid von Medinger, einer direkten Nachfahrin des Hauses Baden identisch. Eine direkte Verwandtschaft ist damit zwar noch nicht bewiesen, kann aber auch nicht als widerlegt gelten.

Wenn ihr mehr über den "Genetischen Fingerabdruck" wissen wollt, der auch bei der Aufklärung von Verbrechen genutzt wird, dann schaut doch mal in den WAS IST WAS Band 98 Kriminalistik.

17.12.2003 - Nic / aktualisiert: 23.04.07 - lm / Abbildung mit freundlicher Genemigung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. 

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt