200 Jahre Wilhelm Löhe

Berühmte Personen

 

Wilhelm Löhe: Im Einsatz für die Diakonie

 

Am 21. Februar 1808 wurde Wilhelm Löhe in der bayerischen Stadt Fürth geboren. Er studierte Theologie und wurde als Pfarrer in das fränkische Dorf Neuendettelsau versetzt. Der Stadtmensch wollte eigentlich nicht in einem Provinznest versauern, dessen einziger Schmuck die Misthaufen vor jeder Haustüre waren. Doch es kam ganz anders. Er blieb 35 Jahre in dem Ort und machte ihn zu einem Zentrum für Diakonie und Mission. Heute sind in Deutschland viele Schulen nach ihm benannt.

 

Was ist Diakonie?

 

 

Bild links: Die sieben Werke der Barmherzigkeit aus dem Neuen Testament sind die Grundlagen der Diakonie: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte bekleiden, Gefangene besuchen, Kranke heilen, Tote bestatten.

 

 

Diakonie kommt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich (Be-) Dienen bei Tisch. Heute versteht man darunter den Dienst am Menschen auf der Basis des christlichen Glaubens. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man sich um alte, kranke oder behinderte Menschen kümmert oder auch um Kinder.

 

 

Um zu verstehen, welche Bedingungen damals herrschten, werfen wir zunächst einen Blick auf die Lebensumstände in der Zeit zwischen 1800 und 1900.

 

 

Alarmierendes Elend

 

 

Bild rechts: Wilhelm Löhe.

 

 

Seit dem Beginn des Industriezeitalters, also seit etwa 1800 veränderte sich das Leben der Menschen in einer vorher nicht gekannten Geschwindigkeit. In den Städten entstanden die ersten Fabriken. Gleichzeitig wurde die Landbevölkerung immer ärmer.

 

 

Viele Menschen zogen in die Städte und erhofften sich dort mehr Wohlstand. Doch die Arbeit an den Maschinen war äußerst hart und sehr schlecht bezahlt. Obwohl Männer, Frauen und sogar Kinder zwölf Stunden und mehr täglich schufteten, hatten sie kaum das Nötigste zum leben.

 

 

Die Folgen waren Verwahrlosung, Seuchen und Kriminalität. Am meisten litten die Schwächsten der Gesellschaft unter diesen Zuständen: Kinder, Kranke und Alte. Die meisten Kinder starben schon im Säuglingsalter. Wer ins Krankenhaus musste, hatte nur geringe Chancen zu überleben. So miserabel waren die Pflege und die hygienischen Bedingungen.

 

 

Um behinderte und alte Menschen kümmerte sich kaum jemand. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts war dies die Aufgabe von Klöstern gewesen, die jedoch um 1802 alle vom Staat aufgelöst wurden (Säkularisation).

 

 

Bildungsnotstand

 

 

Wilhelm Löhe fand es schrecklich das Leid der Menschen mit anzusehen. Gleichzeitig fiel ihm auf, dass viele junge Frauen kaum Perspektiven hatten. Für sie gab es eigentlich nur einen vorgezeichneten Weg, nämlich zu heiraten. Doch gerade auf dem Land konnten sehr viele Menschen nicht heiraten, da sie nicht genug Geld hatten, um eine Familie zu gründen. Diese Frauen waren dann auf die Unterstützung ihrer Verwandtschaft angewiesen um überleben zu können. Sie konnten keinen Beruf ausüben, da es kaum Ausbildungmöglichkeiten für sie gab.

 

 

Hier sah Löhe eine Chance: Wenn man diesen jungen Frauen zeigte, wie man Kranke, Alte und Kinder pflegt, könnten sie diejenigen versorgen, um die sich sonst niemand kümmerte. Gleichzeitig hätten sie endlich eine sinnvolle Aufgabe.

 

 

Sehr wichtig war es Löhe, dass dieser Dienst auf der Basis des christlichen Glaubens stattfand. Denn er war überzeugt, dass jeder Mensch, der sich von der Liebe Gottes zu den Menschen aufrütteln lässt, alles dafür tun wird, dass sich die Lebensumstände seiner Mitmenschen verbessern.

 

 

Bild links: Diakonissenmutterhaus in Neuendettelsau.

 

 

So gründete er 1854 die Diakonissenanstalt, in der junge Frauen eine umfassende Ausbildung zur Erzieherin, Lehrerin, Krankenpflegerin, Missionarin und Seelsorgerin erhielten.

 

 

Um die Mädchen auch praktisch unterrichten zu können, eröffnete Löhe eine Krankenstation, einen Kindergarten, sowie erste Einrichtungen für Behinderte. Damit war gleichzeitig auch für die Bedürftigen der Umgebung gesorgt. Die Diakonissen wurden bald zu begehrten Fachkräften, die in ganz Bayern im Einsatz waren.

 

 

Warum tragen Diakonissen ein Häubchen?

 

 

Auch heute gibt es noch Diakonissen und das nicht nur in Neuendettelsau. Sie leben unverheiratet in Lebens- und Dienstgemeinschaften und sind an ihrer besonderen Tracht erkennbar. Dazu gehört auch ein Häubchen.

 

 

Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Diakonissengemeinschaften gegründet wurden, trugen eigentlich nur verheiratete Frauen eine Haube. Daher kommt auch die Redewendung jemand ist unter die Haube gebracht also verheiratet. Die Diakonissen sollten durch ihre Haube daran erinnert werden, dass sie quasi mit Jesus verheiratet sind und in seinem Dienst stehen.

 

 

Not auch in Übersee

 

 

Löhe sah jedoch nicht nur die Not der Menschen in seiner nächsten Umgebung, sondern hatte auch offene Ohren für die Probleme der Auswanderer. Zu seiner Zeit verließen viele Menschen Europa um sich in Amerika eine neue Existenz aufzubauen. 1840 hörte Löhe von den Auswanderern, dass sie Seelsorger benötigten. So machte er sich daran, sogenannte Nothelfer auszubilden, die er nach Übersee aussandte.

 

 

Außerdem ermutigte Löhe seine Landsleute, neue Siedlungen in Michigan zu gründen, so dass seit 1845 dort vier Orte entstanden, deren Namen auf ihren Ursprung hinweisen: Frankenmut, Frankenhilf, Frankentrost und Frankenlust.

 

 

Löhe unterstützte aber auch den Aufbau diakonischer Einrichtung in Osteuropa und machte Neuendettelsau zu einem wichtigen Ausgangpunkt der weltweiten Mission, also der Verbreitung des christlichen Glaubens in anderen Ländern. Belustigt äußerte sich Löhe darüber, dass in einer Missionsweltkarte von 1862 Neuendettelsau als Mittelpunkt Europas eingezeichnet war, doch diese Darstellung zeigte etwas von der Bedeutung des Dorfes.

 

 

Löhes Erbe

 

 

Bild rechts: Plakat zum Löhe-Jubliläum.

 

 

Noch heute werden von Neuendettelsau aus Menschen in die verschiedensten Gegenden der Welt entsandt um zum Beispiel in Papua-Neuguinea, Tansania oder Singapur als Lehrer, Ärzte, Pfarrer oder Handwerker zu arbeiten. Die Diakonie Neuendettelsau unterhält heute viele Einrichtungen für Senioren und Behinderte sowie Krankenhäuser und Schulen in Bayern und Osteuropa.

 

 

Soziale Einrichtungen der Kirchen

 

 

Wilhelm Löhe war nicht der einzige, der nach Wegen suchte, um die Not der Menschen auf der Grundlage des christlichen Glaubens zu lindern. Einer der bekanntesten Sozialreformer dieser Zeit war Johann Heinrich Wichern, der im gleichen Jahr wie Löhe geboren wurde. Wichern sorgte dafür, dass sich die verschiedenen sozialen Initiativen, die sich in Deutschland gebildet hatten, vereinigten. Daraus entstand später das Diakonische Werk der evangelischen Kirche. Auf katholischer Seite wurde als Zentralverband 1897 die Caritas (lat. für Nächstenliebe) gegründet.

 

 

Schülerwettbewerbe zu Löhe und Wichern

 



 

 

 

Die Diakonie Neuendettelsau schreibt zum Jubiläum einen Schülerwettbewerb aus, in dem ihr euch in vielfältiger Weise mit Wilhelm Löhe und seinen Ideen auseinandersetzen könnt, zum Beispiel in Form eines Theaterstückes, einer Power-Point-Präsentation oder eines Videoclips. Es winken Geldpreise in Höhe von 500 und 1000 Euro. Einsendeschluss ist der 30. Juni 2008. Mehr über den Wettbewerb hier. 

 

 

Auch zum Wichern-Jahr gibt es einen Jugendwettbewerb, an dem ihr als Klasse oder Jugendgruppe teilnehmen könnt. Das Motto lautet: "Wie sozial bist Du?" Einsendeschluss ist der 31. März 2008. Alle Informationen darüber findet ihr hier.

 

 

 

 

Text: lm 20.02.08, Bilder: pd, Plakat: Diakonie Neuendettelsau.

 

Hinweis: Im Archiv wurden alle Bilder und Links entfernt