1529: Die Türken belagern Wien

Das 16. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs. Während sich von Deutschland aus die Reformation ausbreitete und die christliche Kirche spaltete, drang vom Osten her der Islam vor. 1529 erreichten die Türken die Stadt Wien und belagerten sie.

Der Islam hat auch in Europa eine lange Geschichte. So war der Süden Spaniens über Jahrhunderte hinweg maurisch, also von der arabischen Kultur geprägt. An vielen Bauwerken aus dieser Zeit ist dies heute noch zu erkennen.

In jener Epoche, in der der Islam in Spanien vor den Christen zurückwich, drang er von Osten her nach Europa vor und unterwarf sich die christlichen Völker des Balkan.

Das Osmanische Reich

Das Volk, welches wir heute als Türken kennen, nannte sich früher Osmanen. Der Name geht auf den Fürsten Osman (1299 - 1326) zurück, der Kleinasien erobert hatte. Seit dem 8. Jahrhundert bekannten sich die Völker in der Region zum Islam.

Osmans Sohn Urban gab dem Volk eine militärische Struktur und organisierte es zu einer überaus effizienten Kriegerkaste. Es gab ein Heer, eine Fremdenlegion und sogar eine starke Kavallerie. Bemerkenswert war die Elitetruppe der Janitscharen. Hierbei handelte es sich um ursprünglich christliche Kinder, die ihren Eltern weggenommen und zu Elitesoldaten ausgebildet wurden.

Die Eroberung des Balkan

Die Osmanen unterwarfen einen Großteil des heutigen Griechenlands, darüber hinaus Makedonien, Bulgarien, Serbien und die Herzegowina. Am 28. Juni 1389 kam es zur großen Schlacht der Türken gegen die Serben auf dem Amselfeld. Das liegt im heutigen Kosovo, wo die Menschen heute noch dem Islam angehören. Die Osmanen gewannen diese Schlacht und breiteten sich in der Region weiter aus. Auch das heute noch islamische Albanien geht auf diese Eroberungen zurück.

Das Ende des Oströmischen Reiches

1453 erstürmten die Türken Konstantinopel und machten es zu ihrer Hauptstadt Istanbul. Das bedeutete das Ende des Oströmischen Reiches und seiner über 1000 Jahre langen Vorherrschaft des Christentums. Europas Staatenbund, das Heilige Römische Reich deutscher Nation, war bedroht. Vom Pufferstaat Ungarn abgesehen, hatte es nun in Europa eine gemeinsame Grenze mit den Osmanen. Auch große Teile Kleinasiens wurden dem Osmanischen Reich angegliedert.

Selim, der siegreiche Kalif

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts eroberte Selim Persien, Armenien, Palästina, Syrien und Ägypten. Auch die heiligen Stätten des Islam in Mekka und Medina gehörten nun zu seinem Reich. Damit nahm er den Titel Kalif an. Kalif ist ein islamischer Herrschaftstitel und bezeichnet eine Person, die zugleich religiöses und politisches Oberhaupt eines bestimmten Bereiches ist. Der erste Kalif war Abu Bakr, der Nachfolger des Propheten Mohammed. Er regierte ab etwa 632 nach Christus. Kalif bedeutet wörtlich Nachfolger des Gesandten Gottes.

Der Weg nach Wien

Nachdem der Süden erobert war, blickte Suleiman der Prächtige (1520 - 1566) wieder nach Westen. 1526 überrannten die Osmanen Ungarn und erschienen drei Jahre später vor Wien. In Ungarn gab es kein ausgebautes Straßennetz, so dass die Eroberer die Donau als "Straße" nutzten. Die Kanonen und ein Großteil der schweren Ausrüstung wurden auf Schiffe verladen. Wenn nicht gerudert wurde, ließen die Eroberer ihre Wasserfahrzeuge von Land aus ziehen.

Um die Wiener von allen Nachschublinien abzuschneiden, verbrannten die Türken die hölzernen Donaubrücken.

Ungleiches Kräfteverhältnis

Die osmanische Streitmacht entsprach der Einwohnerzahl einer heutigen Großstadt. Der wehrhafte Teil des Heeres umfasste etwa 80.000 osmanische sowie 15.000 bis 18.000 moldauische und serbische Kämpfer. Neben zahlreichen anatolischen Reitern gehörten zum Heer fast 20.000 Janitscharen.

Wien wurde von etwa 22.000 Fußsoldaten und 2000 Reitern verteidigt - eine deutliche Minderzahl angesichts der gewaltigen osmanischen Streitmacht. Die Verteidigung der Stadt wurde von Niklas Graf Salm und Wilhelm von Rogendorff organisiert. Graf Salm ließ die Stadtmauern mit Erdbefestigungen verstärken und sämtliche Gebäude außerhalb der Stadtmauern abreissen, um den 72 Kanonen ein freies Schussfeld zu ermöglichen und um den Angreifern Möglichkeiten zur Deckung zu nehmen.

Die Belagerung

Da es der osmanischen Artillerie an schweren Kanonen fehlte, blieb ihr Feuer nahezu ohne Wirkung. Darauf hin feuerten die Kanonen nur noch zur Ablenkung der Verteidiger weiter, während die Osmanen versuchten, Tunnel unter die Wiener Stadtmauern zu graben, um so in die Stadt einzudringen.

Doch die Wiener bemerkten den Versuch, gruben ebenfalls Stollen und kämpften unter der Erde mit den Gegnern.

An anderen Stellen gelang es den Angreifern, Breschen in die Wiener Stadtmauer zu sprengen, an denen es zu heftigen Kämpfen kam. Hinter den Breschen errichteten die Verteidiger Palisaden, hoben Gräben aus und konzentrierten ihre bewaffneten Truppen auf diese Bereiche, so dass die Angreifer nicht eindringen konnten. Eine Stelle der zerstörten Stadtmauer wurde so heftig verteidigt, dass allein hier 1200 Janitscharen ihr Leben verloren.

Am 14. Oktober sprengten die Osmanen eine letzte Bresche in das Kärntnertor. Weil der Schutt nach außen fiel, gelang auch hier die Erstürmung nicht, so dass sich die Janitscharen erneut unter schweren Verlusten zurückziehen mussten.

Abzug der Türken

Die Belagerung Wiens brachte den Türken keinen Erfolg. Wegen der aufgeweichten ungarischen Straßen blieb der Nachschub aus. Mitte Oktober setzte heftiger Schneefall ein, so dass die Angreifer von einem vorzeitigen Wintereinfall ausgingen und in der Nacht auf den 15. Oktober ihre Zelte abbrachen. Das Abendland atmete auf.

Schwere Verluste

Das osmanische Heer hatte fast 20.000 Todesopfer hinnehmen müssen. Die Verluste der Belagerten waren deutlich geringer, trotzdem waren die Mauern Wiens zuletzt nur noch von wenigen Tausend Soldaten bemannt worden. Wesentlich sah es im Umland von Wien aus, das verwüstet und weitgehend entvölkert worden war.


Rückkehr der Belagerer


Es dauerte 154 Jahre, bis die osmanische Armee 1683 ein zweites Mal nach Wien vordrang. Nach der ersten Belagerung hatten die Habsburger Wien zu einer Festung ausgebaut, so dass die Wiener lange genug standhalten konnten, bis ein Entsatzheer mit Truppen des Heiligen Römischen Reiches und Polens eintraf und das osmanische Heer vertrieb. Es war ein letzter großer Kraftakt der Osmanen gegen den christlichen Westen, und in der Folge verlor das Osmanische Reich große Teile seines Staatsgebietes wieder. Das Ende des Osmanischen Reiches kam mit dem Ersten Weltkrieg, den es an der Seite der Mittelmächte (Deutsches Reich und Österreich-Ungarn) verlor.

Folgen für Europa

Ohne die Bedrohung durch die Türken und die Belagerung Wiens würde es heute möglicherweise keine evangelische Kirche geben. Ursprünglich wollte Karl V. gegen die Protestanten hart vorgehen, doch die Türken-Gefahr erlaubte es nicht, die Christenheit in einen Religionskrieg zu stürzen. So konnte sich die Reformation ungehindert ausbreiten.

Text: RR, Stand 24. 9. 2009; Bilder: Bartholomäus Beham (1502-1540), Destination Europe

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