Warum mumifizierten Völker und Kulturen ihre Toten?

Die künstliche Mumifizierung hatte vor allem religiöse Gründe. Daneben spielten aber auch eine besondere Form des Totengedächtnisses und rein praktische Gründe eine Rolle.

Religiöse Gründe

Viele Völker konnten sich ein Weiterleben nach dem Tode nur vorstellen, wenn der Körper der Verstorbenen unversehrt erhalten blieb. So dachten zum Beispiel die alten Ägypter. Mit der Mumifizierung ihrer Toten erfüllten die Angehörigen also eine religiöse Fürsorgepflicht, weil sie auf diese Weise das Fortleben ihrer Lieben im Grab oder im Jenseits sicherten.


Die Leiche wurde mit trockenem Natron gefüllt.

Besonderes Totengedächtnis

Bei Völkern, bei denen es keine religiösen Gründe für eine Mumifizierung gab, bestand zuweilen das Bedürfnis, Verstorbene auch nach ihrem Tode anschauen und besuchen zu können. Das galt und gilt vor allem für Menschen von herausragender Bedeutung. So mumifizierten zum Beispiel die Griechen, die ihre Toten sonst zu verbrennen pflegten, Alexander den Großen (356 bis 323 v. Chr.), um ihn stets unter sich zu wissen. Sein Leichnam wurde in Honig konserviert und später in der nach ihm benannten Stadt Alexandria in einem Glassarg beigesetzt, der auf Wunsch besichtigt werden konnte. Bei einem solchen Besuch soll Kaiser Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) dem großen Toten die Nase abgebrochen haben. Beispiele dieser Art findet man auch in katholischen Kirchen, wo unzählige Heilige in Glassärgen ruhen - eine Mahnung für die Gläubigen, sich deren gottgeweihtes Leben zum Vorbild zu nehmen.

Praktische Gründe

Wo religiöse Gründe oder das besondere Totengedächtnis keine Rolle spielten, wurden Verstorbene oft nur deshalb mumifiziert, weil man sie nicht gleich begraben konnte. Oft war jemand in der Ferne gestorben und musste nun über weite Strecken zu seiner Grabstätte in der Heimat gebracht werden. Oder aber die vorgeschriebenen Begräbnisfeierlichkeiten zogen sich über Wochen hin, wobei der Leichnam während dieser Zeit öffentlich zur Schau gestellt werden musste. Solche Begräbnisfeierlichkeiten waren zum Beispiel bei Päpsten oder den Königen von Spanien, Frankreich und England lange Zeit üblich. Spätestens seit dem 12. Jahrhundert war die Mumifizierung aus diesen Gründen in Europa so weit verbreitet, dass berühmte Chirurgen wie Henry de Mondeville (gestorben 1320), Guy de Chauliac (gestorben 1368) oder Pietro de Argelata (gestorben 1423) in ihren Lehrbüchern der Technik der Haltbarmachung für begrenzte Zeit eigene Abschnitte widmeten.

Dieser Text ist ein Kapitel aus dem WAS IST WAS Band 84 Mumien.

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