Ulrike Meinhof

Am 9. Mai 1976 wurde die Journalistin und Terroristin Ulrike Meinhof in ihrer Zelle 719 im Gefängnis von Stuttgart-Stammheim tot aufgefunden. Nach den offiziellen Angaben hatte sie sich selbst erhängt. Von Angehörigen in Auftrag gegebene Gutachten bezweifeln bis heute diese Selbstmordversion.



Kindheit und Jugend

Ulrike Meinhof kam am 7. Oktober 1934 in Oldenburg als Tochter des Kunsthistorikerehepaares Dr. Werner und Dr. Ingeborg Meinhof zur Welt. Der Vater erlag 1939 einem Krebsleiden, die Mutter starb 1948 ebenfalls an Krebs.  Die mit den Eltern befreundete Historikerin Renate Riemeck übernahm die Vormundschaft über Ulrike und deren ältere Schwester. Später war Renate Riemeck Mitbegründerin der "Deutschen Friedens-Union". Hier kam Ulrike mit sozialistischen und pazifistischen Ideen in Berührung.

Studium

Nach dem Abitur begann sie 1955 in Marburg Philosophie, Pädagogik, Soziologie und Germanistik zu studieren. Zwei Jahre später wechselte sie nach Münster und wurde dort Sprecherin des "Anti-Atomtod-Ausschuss" des SPD-nahen Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Die Protestbewegung wollte eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr verhindern, die dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer vorschwebte. Seiner Meinung nach handelte es sich bei den Kernwaffen bloß um "eine Weiterentwicklung der Artillerie".

Für Studentenblätter verfasste Ulrike Meinhof Artikel zur Atomwaffenfrage, begann Anti-Atomwaffen-Veranstaltungen, -Unterschriftensammlungen, -Märsche und Protestdemonstrationen zu organisieren.

Die Journalistin

1959 schrieb Ulrike Meinhof in der linken Zeitschrift "konkret" ihre erste Kolumne, "Der Friede macht Geschichte". Zehn Jahre lang arbeitete sie für das Blatt, bereits 1960 war sie dessen Chefredakteurin. 1961 heiratete sie Klaus Rainer Röhl, den Herausgeber von "konkret". Die Zeitschrift traf den Nerv der Zeit: 1965 erreichte "konkret" eine Auflage von 100.000 verkauften Exemplaren und wurde ab 1967 zum führenden Publikationsorgan der neuen außerparlamentarischen Studentenbewegung, der APO.



Aus der Ehe mit Röhl gingen zwei Kinder hervor, die Zwillinge Regine und Bettina (Bettina Röhl arbeitet heute ebenfalls als Journalistin). Ende 1967 trennte sich Meinhof von Röhl und ließ sich 1968 von ihm scheiden.



Nun arbeitete sie auch für Hörfunk und Fernsehen, z. B. für das Fernsehmagazin "Panorama". In Features des  Hessischen Rundfunks setzte sich die engagierte Journalistin gegen soziale Ungerechtigkeiten ein und protestierte gegen den Vietnamkrieg. Für den Südwestfunk schrieb sie das Fernsehstück "Bambule". Hier kritisierte sie die autoritären Methoden der Heimerziehung. Das Drehbuch gilt auch als Parabel auf die gesellschaftlichen Verhältnisse der 60er Jahre.

Radikalisierung



Der Weg von der bürgerlich-linken Journalistin zur Mitgründerin und radikalen Programmatikerin der Roten-Armee-Fraktion, von der Beobachterin zur Täterin, begann mit dem Tod des 26jährigen Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967. Der Student war bei der Schah-Demonstration von einem Polizisten erschossen wurde. Auch das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 ließ Ulrike Meinhof nicht nur in ihren Artikeln radikaler und kompromissloser werden.

Die Anfänge der RAF

Am 2. April 1968 wurden in Frankfurt am Main zwei Kaufhäuser in Brand gesteckt. Die Polizei nahm unter anderem die Studentin Gudrun Ensslin und ihren Freund Andreas Baader fest. Ensslin wollte damit gegen die Gleichgültigkeit protestieren, mit der die Menschen in der Bundesrepublik den Krieg in Vietnam hinnehmen.




Im Mai 1970 befreite Ulrike Meinhof den Kaufhausbrandstifter Andreas Baader aus der Haft. Im Untergrund bauten die drei im gleichen Jahr die Rote Armee Fraktion (RAF) auf. Von Juni-August 1970 absolvierten sie dazu eine Militärausbildung in einem Palästinenser-Camp in Jordanien. Bei ihrem Kampf gegen das "imperialistische Herrschaftssystem" der Bundesrepublik nahm die RAF ganz bewusst Gewalt gegen Menschen in Kauf.



Im Juni 1972 verhaftete die Polizei die führenden Köpfe der RAF. Ulrike Meinhof wurde monatelang allein in einem toten Trakt einer Kölner Justizvollzugsanstalt eingesperrt.



Der Stammheim-Prozess

In der extra für den Prozeß neu errichteteten Mehrzweckhalle in Stammheim begann am 21. Mai 1975 der Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe. Zwölf Millionen Mark hatte die Halle neben der Justizvollzugsanstalt gekostet.

Als das Urteil schließlich am 28.April 1977 - nach 192 Verhandlungstagen - gesprochen wurde, saßen auf der Anklagebank nur noch drei Personen. Ulrike Meinhof, die Ex-Journalistin, hatte sich im Mai 1976 in ihrer Zelle das Leben genommen. Raspe, Baader und Ensslin wurden zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt.

Der Verleger Klaus Wagenbach sagte bei der Beerdigung am 16. Mai 1976 im West-Berliner Stadtteil Mariendorf vor 4000 Menschen, dass Ulrike Meinhof an den "deutschen Verhältnissen" zu Grunde gegangen sei. Altbundespräsident Gustav Heinemann resümierte: "Mit allem, was sie getan hat, so unverständlich es war, hat sie uns gemeint."




Hier findest du mehr Informationen über die Rote-Armee-Fraktion - leider nur in englischer Sprache.

Hier gibt es viele Informationen über die Rote-Armee-Fraktion auch in deutscher Sprache.


Nicht einmal die Totenruhe war Ulrike Meinhoff gegönnt. Ihre Tochter Bettina Röhl schildert auf ihrer Internetseite die Odyssee des Gehirns ihrer toten Mutter.



Text: Roland Rosenbauer 8. 5. 2006, Fahndungsplakat: Bundeskriminalamt Wiesbaden

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