Synagogen: Zentren des jüdischen Glaubens

Während des Dritten Reiches (1933-1945) wurden die Juden in Deutschland unbarmherzig gejagt, gequält und getötet, ihre Gotteshäuser geschändet und niedergebrannt. Wäre es nach Hitler gegangen, hätte kein Mensch jüdischen Glaubens den systematischen Völkermord überleben sollen. Kaum vorstellbar, dass nach Kriegsende Juden jemals wieder freiwillig bei uns leben wollten. Und dennoch: Inzwischen sind wieder 102 jüdische Gemeinden mit insgesamt 105.000 Mitgliedern hierzulande aktiv und unter dem Dachverband des Zentralrats der Juden organisiert.

Überall sprießen wieder Synagogen, also jüdische Gotteshäuser, aus dem Boden. Fast alle mit auffälliger, zum Teil auch außergewöhnlich moderner Architektur. Dadurch sollen die Synagogen nicht nur ins Auge stechen und als Mahnmal an die grausamen Taten der Nazis erinnern, sondern auch das neue Selbstbewusstsein der Juden in Deutschland unterstreichen.



Größter jüdischer Neubau Europas

Zuletzt wurde am 9. November 2006 feierlich die Ohel-Jakob-Synagoge in München, nahe der Marienkirche, eingeweiht. Auf den Tag genau 68 Jahre nachdem sie - wie fast alle anderen Synagogen auch - in der verharmlosend "Reichskristallnacht" genannten Pogromnacht von den Nazis zerstört worden war. Heute ist die Synagoge gemeinsam mit einem Gemeindezentrum, einem Kindergarten, einer Schule und einem Museum der größte jüdische Neubau in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Streng bewacht

Von einem normalen jüdischen Alltag kann aber weder in München noch anderswo in Deutschland die Rede sein. Denn alle Synagogen oder andere jüdische Einrichtungen werden aus Angst vor Anschlägen streng bewacht. Zwischen dem 18. Jahrhundert und dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sah das hier noch ganz anders aus. Obwohl die Juden auch zum damaligen Zeitpunkt schon vereinzelt angefeindet wurden, gehörten mehr als 3.000 jüdische Lehr- und Gebetshäuser zum deutschen Städtebild.

 

Im Dritten Reich zerstört

Zwischen 1933 und 1945 fielen dann so gut wie alle jüdischen Synagogen den Nazis zum Opfer. Eine der wenigen Ausnahmen bildete in dieser Hinsicht die mit 3.000 Sitzplätzen größte Synagoge Deutschlands, die Neue Berliner Synagoge. Sie konnte in der Pogromnacht von einem beherzt eingreifenden Polizisten gerettet werden. Der berief sich auf das damals geltende Denkmalschutzgesetz und schaffte es, damit die brandschatzenden Horden zu stoppen. Doch 1943 wurde auch das Berliner Gotteshaus zerstört, bei einem alliierten Luftangriff - wie übrigens die meisten jüdischen Gotteshäuser, die bis dahin noch Bestand hatten.    

Nur wenige blieben

Nach 1945 gab es  in den wenigen noch erhaltenen oder notdürftig wieder hergestellten Synagogen wieder erste Gottesdienste. Sie dienten aber nur als Übergangslösung für Juden, die größtenteils ohnehin in die USA oder nach Israel auswandern wollten. Dennoch entschieden sich einige Juden zum Bleiben und bauten so manche Gemeinde, Synagoge oder Schule wieder auf. 1950 wurde auch der Zentralrat der Juden gegründet. Er kümmert sich als Vertretung für alle Juden in Deutschland um die Interessen und Belange seiner Gemeindemitglieder. Seine Präsidentin ist momentan Frau Charlotte Knobloch.



Einwanderer aus der Sowjetunion

Ein ganz großer Boom erfolgte dann Anfang der 90er Jahre. Mit Auflösung der Sowjetunion 1991 wanderte ein Großteil der dort ansässigen Juden unter anderem nach Deutschland aus. Seitdem hat sich die Anzahl der jüdischen Gemeindemitglieder in Deutschland etwa verdreifacht. Und deshalb werden bei uns auch verstärkt neue Gotteshäuser gebaut. Für jüdische Menschen ist die Synagoge ein ganz wichtiger Ort und vereint gleich mehrere Funktionen in sich: Sie dient als Raum des Gebets, als Ort des Lernens und als Versammlungsstätte für die Gemeindemitglieder.

Thora ist am wichtigsten

Das Wort Synagoge stammt übrigens aus dem Griechischen und übersetzt den hebräischen Ausdruck eda. Das bedeutet so viel wie die sich versammelnde Gemeinde. Auch wenn sich jüdische Synagogen in Deutschland  von ihrer Bauweise stark unterscheiden, so gibt es doch Vorgaben und Regeln, wie sie gestaltet sein sollen. Wichtigster Gegenstand ist die Thora, eine handbeschriebene Pergamentrolle mit den fünf Büchern Mose. Sie wird in einem Schrein aufbewahrt, der vor der auf Jerusalem ausgerichteten Längswand der Synagoge steht.



Bima im Zentrum

Während des Gottesdienstes liegt die Thora auf einem erhöhten Pult, das sich meistens in der Mitte der Synagoge befindet, der so genannten Bima. Von dieser Bima aus wird aus den heiligen Schriften gelesen. Dabei ist zu betonen, dass in Synagogen eine strikte Geschlechtertrennung herrscht. Während sich die gläubigen Männer um die Bima versammeln, nehmen die Frauen meisten oben auf der Empore Platz.

Rabbiner als Oberhaupt



Je nach Glaubensrichtung werden die Synagogen von den Juden unterschiedlich bezeichnet. Manche nennen sie Beth Knesset (Haus der Versammlung) oder Beth Tefila (Haus des Gebets), die Reformer verwenden den Begriff Tempel. Gleich für alle jüdischen Glaubensrichtungen ist, dass ihre Gemeinden geistlich und rechtlich von einem Rabbiner, oder abgekürzt Rabbi, geleitet werden. Er hält auch die Gottesdienste ab. Die weltliche Leitung liegt hingegen bei einem Gemeindevorstand, der von den Gemeindemitglieder gewählt wird. 

Neue Chance der Begegnung

Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch in Zukunft noch weitere Synagogen in Deutschland gebaut werden. Für die Menschen hier ist das ein Anlass, sich mit der jüdischen Kultur zu beschäftigen oder langsam wieder anzunähern. Denn viele von uns kennen persönlich gar keine Juden. Bisher befinden sich die jüdischen Gemeinden meistens in größeren Städten. Auf dem Land, wo es früher auch Synagogen gab, herrscht bisher kaum Aktivität. 


 

Internetprojekt: Synagogen virtuell 

Über die vielen Neubauten hinaus sollen auch die alten Synagogen in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb läuft momentan ein  interessantes Internetprojekt der TU Darmstadt. Mit virtuellen Konstruktionen haben Architekturstudenten 14 von den Nazis zerstörten Synagogen wieder zum Leben erweckt und damit im www der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer möchte, kann Fassaden und Innenräume per Mausklick erforschen.

Zu den alten Synagogen von Berlin, Dortmund, Dresden, Frankfurt, Hannover, Kaiserslautern, Köln, Leipzig, München, Nürnberg und Plauen gelangt ihr über folgenden Link.

Nic 16.11.2006 / Fotos: wikipedia, gnu-Linzenz und wikipedia commons

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