"Österreich ist frei!"

Zunächst war den Österreichern in Aussicht gestellt worden, dass sie nach dem Ende des Krieges ihr Land bald wieder selbstbestimmt regieren dürften - die Besatzungstruppen sollten schnell abziehen. Schnell wuchsen aber die Spannungen zwischen Ost und West - der Kalte Krieg hatte begonnen. Und Österreich geriet dabei zwischen die Fronten, bis sich die Verhältnisse in Europa so weit geordnet hatten, dass die Sowjets schließlich zu echten Verhandlungen bereit waren.

Soldaten aller vier Besatzungsmächte in Wien, ca.1945. Foto: BPD/Karl von Vogelsang-Institut

Die Alliierten hatten sich noch während des zweiten Weltkrieges auf der "Moskauer Konferenz" darauf verständigt, dass Österreich nach Kriegsende schnell wieder seine Souveränität erlangen und ein eigenständiger, unabhängiger Staat werden sollte. Nach Kriegsende wurde Österreich in seinen alten Grenzen und mit der alten Gesetzgebung wieder hergestellt. Gesetze der Nazis verloren ihre Gültigkeit. Auch der Anschluss an Deutschland wurde damit aufgehoben.

Krieg zu Ende - aber noch kein Frieden

Österreich wurde wie Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Wien war ebenso wie Berlin eine Vier-Sektoren-Stadt. Das heißt, dass die Siegermächte die Kontrolle über die Politik des Landes behielten. Österreichische Politiker und damit das Volk konnten nicht gegen deren Willen handeln. Österreich war also noch nicht wieder ein souveräner Staat.

Vorbereitung der Reise nach Moskau: Konferenz von Bundeskanzler Raab, Vizekanzler Schärf und Außenminister Figl mit den österreichischen Botschaftern bei den Vier Mächten (Schwarzenberg/London, Gruber/Washington, Bischoff/Moskau, Vollgruber/Paris) am 28. März 1955 Foto: BDP/Karl von Vogelsang-Institut

Die alliierten Truppen zogen auch nicht einfach wieder ab. Es gab einige Streitpunkte mit der Sowjetunion. Die Sowjets unterstützten Gebietsansprüche Jugoslawiens, die von den West-Alliierten (Frankreich, Großbritannien und USA) abgelehnt wurden. Außerdem stritt man sich um Vermögen von Deutschen, das noch in Österreich war. Es sollte zur Begleichung von Kriegsschulden herangezogen werden.

Sowjets machen Vorschläge

Ankunft in Moskau (April 1955): Bundeskanzler Raab, Vizekanzler Schärf, Außenminister Figl. Foto: BDP/Karl von Vogelsang-Institut

Während man sich stritt, vergingen die Jahre, und man verlor die ursprünglichen Gründe aus den Augen. Der Kalte Krieg, also die politische Auseinandersetzung der Sowjetunion mit den westlichen Mächten, wurde immer härter. Das Schicksal des geteilten Deutschlands beherrschte immer stärker die Diskussion und Österreich wurde dabei als Verhandlungsmasse betrachtet.

Als Deutschland schließlich der NATO beitrat und 1954 die Pariser Verträge unterzeichnet worden waren, machten die Sowjets plötzlich den Vorschlag zu neuen Gesprächen und Verhandlungen mit Österreich.

Die Bedingungen

Die Sowjets stellten eine Reihe von Bedingungen, an die sie die Souveränität Österreichs und den Abzug ihrer Besatzungstruppen knüpften:

1. Österreich verpflichtete sich zu immerwährender militärischer Neutralität

2. Fremde Mächte durften keine Militärbasen installieren

3. Österreich durfte sich nicht Deutschland anschließen

4. Österreich musste verschiedene Zahlungen an die Sowjetunion leisten, sowohl in Geld als auch in Form von Öl. Dafür wurden die Rechte an der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft zurückgegeben.

"Österreich ist frei!" Balkonszene im Schloss Belvedere in Wien am 15. Mai 1955. Von links: Llewellyn Thompson (britischer Botschafter), John Foster Dulles (Außenminister der USA), Antoine Pinay (Außenminister Frankreichs), Leopold Figl, Adolf Schärf, Wjatscheslaw Molotow (Außenminister der UdSSR), Julius Raab

Es stellte sich heraus, dass die Sowjetunion deshalb so beharrlich gegen die Souveränität Österreichs und einen Staatsvertrag gekämpft hatte, weil die Sowjets befürchteten, dass sich Österreich dem Westen und vielleicht auch der NATO anschließen könnte. Aus Sicht der Sowjetunion war es viel besser, wenn inmitten der NATO-Staaten wie Deutschland, Frankreich und Italien die beiden Staaten Österreich und Schweiz neutral wären.

Die letzte feierliche Wachablösung auf dem Wiener Heldenplatz am 30. April 1955. Foto: BDP/Karl von Vogelsang-Institut

Als sich die Österreicher schließlich mit den Russen geeinigt hatten, konnten auch die West-Alliierten nichts dagegen einwenden. Am 15.Mai 1955 wurde der Staatsvertrag unterzeichnet, der zu den oben genannten Bedingungen Österreich seine Souveränität zurückgab. Der damalige österreichische Außenminister Leopold Figl äußerte sich am 15.Mai 1955 sehr erfreut: "Der Sonntag des 15. Mai wird nicht nur in die Geschichte Österreichs eingehen, ich glaube, er wird auch ein Wendepunkt sein (für) die ganze große Weltpolitik der heutigen Zeit." Vom Balkon des Schlosses Belvedere erscholl der Ruf: "Österreich ist frei!"

Der Vertrag trat am 27.Juli in Kraft, am 25.Oktober 1955 verließen die letzten ausländischen Truppen Österreich. Noch im selben Jahr wurde Österreich in die UN aufgenommen. Missstimmung gab es allerdings in Deutschland, weil deutsches Vermögen in Österreich enteignet wurde, um damit Reparationen zu leisten, also Kriegsschulden zu bezahlen.

Links:

Die offizielle Seite zum Jahretag der Souveränität Österreichs mit weiterführenden Informationen

Hier findet ihr den Staatsvertrag im Originaltext

Text: -jj-/11.5.2005

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