Mit dem Tod leben

Denn 1972 entschied der Oberste Gerichtshof der USA, dass die Todesstrafe willkürlich und unberechenbar verhängt wird und somit verfassungswidrig sei. In der Folge dieses Urteils änderten 35 Bundesstaaten ihre Gesetze. 1976 hob der Oberste Gerichtshof das Moratorium wieder auf. Seitdem wurden bis Ende 2001 mehr als 750 Todesurteile vollstreckt.

Was ist Was.de sprach mit dem in Kalifornien lebenden deutschen Journalisten Arndt Pelter.

WiW: Arndt, du beschäftigst dich seit einiger Zeit mit zum Tode verurteilten Menschen. Wie bist du dazu gekommen?

AP: Als ich 1995 meine Freundin in San Francisco besuchte, schrieb ich schon nebenbei für die Nürnberger Zeitung. Auf der Suche nach interessanten Themen stieß ich auf das kalifornische Staatsgefängnis San Quentin liegt, in dem die kalifornische Death Row (=Todestrakt) untergebracht ist. Also, diejenigen Gefangenen, die zum Tode verurteilt wurden.


Ich habe dann mit einer Organisation Kontakt aufgenommen, um einen Häftling direkt kennenzulernen. Ich bekam den Namen von Reno, dem ich dann aus Deutschland schrieb. Zu meiner Überraschung schrieb er zurück. Es entwickelte sich eine intensive Brieffreundschaft. Als ich dann im August 1996 nach San Francisco zog, fing ich an ihn regelmäßig zu besuchen.

rechts: Selbstbildnis von Reno

WiW: Beschreibe uns doch bitte, wie es im Todestrakt aussieht.

AP: Die Zellen konnte ich bislang nicht sehen, lediglich zum Besucherraum habe ich Zugang. Reno hat mir jedoch eine Skizze von seiner Zelle geschickt, die rund 2,30 Meter lang und 1,60 breit ist. Darin eine Pritsche, eine Toilette, ein Waschbecken und ein Regal. Vier Seiten sind aus Stein, die vordere Wand ist ein Stahlgitter mit Maschendraht. Um einen Häftling besuchen zu können, muss man einen Antrag ausfüllen, der in knapp sechs Wochen Frist geprüft wird. Danach ruft man in San Quentin an und macht einen Termin aus.

Man darf dann keine Jeans tragen, keine weißen T-Shirts etc.(um nicht mit Insassen verwechselt zu werden Anm.d.Red.). Eine ganze Liste gibt es da mit einer Kleiderordnung und was man bringen darf und was nicht. Alles ist streng geregelt. Man wird beim Besuch zweimal durchleuchtet, strenger als in einem Flughafen. Um dann schließlich in den Besucherraum des Todestraktes zu kommen, muss man durch zwei Stahltüren gehen, die einzeln von innen geöffnet werden.

Im Besucherraum befinden sich 12 Käfige, die jeweils etwa 2 Meter lang und 1,20 Meter breit sind. Dort wird man mit dem Gefangenen für den Besuch eingesperrt. Während des Besuchs kann man den Käfig nicht verlassen. Also, vorher auf die Toilette gehen. Man darf den Gefangenen, der in Handschellen zum Käfig geführt wird, nur am Anfang und am Ende umarmen. Das ist besonders hart für Frauen und Kinder von Häftlingen. In der Regel dauert so ein Besuch 1,5 bis 2 Stunden.

Wenn man geht, wird der Häftling in einen Nebenraum geführt und von Kopf bis Fuß durchsucht, um sicher zu gehen, dass er nichts seine Zelle schmuggelt. In der Zwischenzeit wartet man als Besucher bis der Wärter an der Tür angerufen wird, dass alles o.k. ist. Erst dann darf man den Raum und das Gefängnis verlassen.

Wie sieht der Tagesablauf eines zum Tode verurteilten Menschen aus? Wieviel Privatsphäre hat er noch?

Renos Traum von Freiheit: San Francisco

AP: Privatsphäre ist gleich null, da die vordere Seite der Zelle offen ist. Es ist sehr laut im Gefängnis, derzeit sind rund 630 Häftlinge im Todestrakt von San Quentin. Die Zellen sind zu einem überdachten Innenhof hin offen, die Häftlinge führen Gespräche von einem Stock zum anderen, hören Musik, singen dabei, benutzen die Toiletten etc. Es ist laut und das fast 24 Stunden am Tag. Die Gefangenen im Todestrakt dürfen nicht arbeiten, haben die Möglichkeit auf den Hof zu gehen, doch auch das machen viele nicht, denn es ist gefährlich. Das Gefängnis wird von Gangs kontrolliert, die sich gegenseitig bekämpfen. Man darf nicht vergessen, dass hier Männer zusammen gesperrt sind, die Mörder sind, die nichts mehr zu verlieren haben, die bereits zum Tode verurteilt wurden. Also, wer keiner Gang angehört, muss besonders aufpassen. Nur die wenigsten Häftlinge bekommen Besuch. Von den 630 sind es gerade mal 100, die regelmäßig noch Besuch von Verwandten oder Freunden haben. Einige von ihnen sind kreativ tätig, malen oder schreiben, doch ein Großteil schläft nur oder schaut fern.

WiW: Vielen Dank für dieses Gespräch, Arndt!

Wenn Ihr mehr wissen wollt:

Was ist Amnesty International?

Amnesty International zur Todesstrafe

Rede des ehemaligen Gouverneurs von Illinois zur Umwandlung aller Todesurteile

Umfangreiche Seite zur Todesstrafe in den USA

Informationen zum amerikanischen Rechtssystem

Radio Goethe Arndt Pelter

Text: -jj- 12.3.2004 Fotos: ab

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