Henry Morgenthau jr.

Wäre die Geschichte so verlaufen, wie er sie gestalten wollte, dann wäre Deutschland kein Industriestaat, sondern ein Land der Bauern und Viehzüchter. Henry Morgenthau jr. war US-amerikanischer Finanzminister in den Jahren 1934 bis 1945 und ein überzeugter Gegner des Nazi-Regimes.

Henry Morgenthau jr. wurde am 11. Mai 1911 als Sohn des Diplomaten Henry Morgenthau geboren.

Morgenthau senior war von 1913 bis 1916 unter US-Präsident Woodrow Wilson Botschafter der Vereinigten Staaten in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul.

Als wichtiger Zeitzeuge schrieb er zwei Berichte über den Völkermord an den Armeniern, zu dem sich die Türkei bis heute nicht bekannt hat.

Leidenschaft für die Landwirtschaft

Henry Morgenthau jun. interessierte sich schon als Kind für die Landwirtschaft. Nach dem Schulabschluss begann er an der Cornell Universität Architektur und Agronomie zu studieren, brachte das Studium aber nicht zu Ende und widmete sich lieber der Landwirtschaft.

Hier entwickelte er sich rasch zu einem Spezialisten. In den 1920er Jahren übernahm er die Zeitschrift American Agriculturist. Später fungierte er als Vorsitzender der landwirtschaftlichen Beratungskommission des Staates New York.

Ein Freund des Präsidenten

Henry Morgenthau jun. war mit Franklin D. Roosevelt befreundet. 1932 arbeitete er für ihn als Wahlkampfberater. Roosevelt war Kandidat der Demokratischen Partei und wurde nach seiner ersten Amtszeit dreimal wiedergewählt. Der 32. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika holte Morgenthau gleich nach seinem Amtsantritt 1933 als Staatssekretär ins US-Finanzministerium.


In der Finanzpolitik verfolgten die beiden Politiker eine eher konservative Linie. Sparen war angesagt. Morgenthau arbeitete auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt hin und versuchte gegen eine mögliche Inflation zu arbeiten. Weil er damit in der Zeit der Rezession 1937/38 nicht gegensteuern konnte, gab er diese Ziele schließlich auf.

Ein Gegner Hitlers

Morgenthau beachtete die Vorgänge in Deutschland seit der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1933 sehr genau.

Schon vor dem amerikanischen Kriegseintritt versuchte er deutsche Auslandsguthaben zu blockieren, damit sie nicht von der deutschen Kriegswirtschaft genutzt werden konnten.

Ab 1942 ließ er die deutschen Guthaben in den USA beschlagnahmen. Ausserdem stellte er amerikanische Tochterunternehmen großer deutscher Firmen unter US-amerikanische Leitung.

Der Schatten der Vernichtung

Bereits Ende 1942 wussten Morgenthau und seine Mitarbeiter im Finanzministerium über die Todesfabriken in Auschwitz und anderswo Bescheid. Die Berichte, die ihm vorlagen, stammten aus zuverlässigen Quellen.


Er appellierte an seine Kollegen im Kriegsministerium, die Gaskammern in Auschwitz oder die Eisenbahnlinien nach Polen zu bombardieren. Doch alle Forderungen wurden abgelehnt.


Das Wissen um die Vernichtung der europäischen Juden, spielte in Morgenthaus Denken in dieser Zeit eine zentrale Rolle. Er wusste, dass der Krieg in Europa nicht ewig dauern konnte und ließ eine Vorlage für US-Präsident Roosevelt zusammenstellen, den später nach ihm benannten Morgenthau-Plan.

Agrarstaat Deutschland

Im September 1944 legte Morgenthau auf einer Konferenz in Quebec einen Plan zur umfassenden Deindustrialisierung Deutschlands vor. Er verfolgte eine Politik der vier großen "D": Demilitarisierung und Denazifizierung, Dekartellisierung und Demokratisierung,

Der Staat sollte nach dem Zweiten Weltkrieg in ein entmilitarisiertes Agrarland umgewandelt werden, dessen Industrieanlagen demontiert werden müssten.


Ferner stellte er sich die Aufteilung je in einen Nord- und einen Südstaat vor: zwei unabhängige Länder auf föderativer Grundlage. Zudem sollte Deutschland Gebiete im Westen an Frankreich und im Osten an Polen und die Sowjetunion abtreten.

Der Morgenthau-Plan wurde zwar von Roosevelt und Winston Churchill unterzeichnet, aber bereits Ende September 1944 fallen gelassen, ohne dass sich die zuständigen Gremien damit befasst hatten. Die öffentliche Reaktion war so negativ, dass sich Roosevelt distanzierte.

Nach dem Tod von Franklin D. Roosevelt trat Henry Morgenthau von seinem Amt zurück.




Text: RR, Stand 9. 5. 2011, Bild: David Silvette, PD

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