Die erste Regierungschefin der Welt

Für die Deutschen ist es heute selbstverständlich, eine Bundeskanzlerin zu haben. Noch vor 50 Jahren war das ganz anders, denn da gestalteten alleine die Männer die Politik der Staaten dieser Welt. Das änderte sich am 21.7. 1960, als auf der Insel Ceylon (heute Sri Lanka) Sirimavo Bandaranaike vereidigt wurde. Als erste Ministerpräsidentin der Welt war sie die erste Frau im höchsten politischen Amt eines Staates.

Im 20. Jahrhundert ging die Zeit der alten Seemächte mit ihren Kolonien zu Ende. Seit 1796 herrschten die Briten über Ceylon, das 1803 den Status einer Kronkolonie erhielt.

Durch ihre Lage bildete die Insel im Indischen Ozean einen strategischen Knotenpunkt für die Seefahrt zwischen West- und Südostasien. Im Juni 1947 wurde der Inselstaat britisches Dominion, am 4. Februar 1948 schließlich unabhängig innerhalb des Britischen Commonwealth.

Seit dem 22. Mai 1972 ist Ceylon eine Republik mit dem Namen Sri Lanka. Auf einer Fläche, die etwa der des Freistaates Bayern entspricht, leben dort 20,6 Millionen Einwohner.

Buddhistisches Zentrum

Im antiken Buddhismus war Ceylon eines der Zentren. Heute ist das Land eine multireligiöse und multiethnische Nation, in der neben dem Buddhismus vor allem der Hinduismus, das Christentum und der Islam bedeutende Religionen sind.

Auch im Buddhismus gibt es nicht nur friedliche Menschen, sondern auch sehr radikale Strömungen. Am 26. September 1959 erschoss ein politisch radikaler buddhistischer Mönch den damaligen Premierminister Solomon Bandaranaike.

Eine Witwe an der Macht

Nach der Ermordung des Premierministers kam es zunächst zu einer Phase der politischen Instabilität. Für den März 1960 waren Neuwahlen ausgerufen wurden, doch die Minderheitenregierung blieb im Parlament ohne Unterstützung, so dass für den Juli Neuwahlen ausgerufen werden mussten.

Sirimavo Bandaranaike hatte erlebt, wie vor ihren Augen der Ehemann erschossen wurde. Ihr Mann, der Premierminister, hatte die Partei SLFP gegründet und 1956 zum Wahlsieg geführt. Die Mitglieder der Partei baten die Witwe, diesmal als Spitzenkandidatin den Wahlkampf zu führen. Tatsächlich ging sie als klare Siegerin hervor und übernahm damit als weltweit erste Frau das Amt des Premierministers.

Die weinende Witwe

Sirimavo Bandaranaike war 1916 als Tochter eines ceylonesischen Großgrundbesitzers zur Welt gekommen und in wohlhabender Umgebung aufgewachsen.

Bis zum Mordanschlag auf ihren Mann hatte sie in der Geborgenheit einer aristokratischen Oberschichtfamilie mit buddhistischen Werten gelebt.

Ihre Biografen schreiben, dass die damals 44-jährige politischer Hinsicht extrem unerfahren war, als sie sich ihrer Aufgabe stellte. Trotzdem wollte sie der Welt zeigen, dass die Frau in Ausübung der Herrschaft dem Mann überlegen ist.

Wegen ihrer Gefühlsausbrüche wurde sie von der Presse als "weinende Witwe" bezeichnet und unter diesem Begriff weltweit bekannt.

Keine glückliche Hand

Die Menschen im damaligen Ceylon hofften auf einen Neubeginn. Eine Frau an der Spitze des Landes verhieß eine Politik mit menschlicheren Zügen.

Die Wünsche der Bevölkerung erfüllten sich jedoch nicht. Sirimavo Bandaranaike regierte nicht versöhnlich, sondern polarisierte stark. Ihre Politik spaltete das Volk. Sie trat machtbewusst und autoritär auf und verstaatlichte ausländische Unternehmen. Das ließen sich Großbritannien und die USA nicht gefallen und verhängten ein Embargo über das Land. In der Folge führte Sirimavo Bandaranaike Ceylon ins Lager der damals sozialistisch regierten Staaten China und die Sowjetunion, Ceylon blieb aber ein blockfreier Staat.

Text: RR, Stand: 20. 7. 2010, Bilder: PD

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