Das rote Telefon - der direkte Draht von Moskau nach Washington

Am 20. Juni 1963 konnten sich die zwei mächtigsten Politiker der Welt, der Staatschef der Sowjetunion und der amerikanische Präsident erstmals direkt kontaktieren. Warum das so wichtig war - besonders in der Zeit des Kalten Krieges, in denen die Welt mehrere Male unmittelbar vor einem Atomkrieg stand - lest ihr hier.

Was war eigentlich der Kalte Krieg?

Links: Flagge der Sowjetunion

Vor 45 Jahren standen sich die Sowjetunion (sowie alle Staaten des kommunistischen Ostblocks) und die USA (sowie ihre westlichen Bündnispartner in der NATO) als Erzfeinde gegenüber. Weil sie sich beide vom anderen bedroht fühlten, rüsteten sie immer weiter auf. Sie nutzten ihre Waffenarsenale jedoch nur zur Abschreckung. Man nennt diese Zeit deshalb auch den Kalten Krieg.

Rechts: Flagge der USA

Tatsächlich wären sowohl Russland als auch Amerika jederzeit in der Lage gewesen, innerhalb weniger Minuten einen Atomkrieg auszulösen, bei dem ein großer Teil des Lebens auf der Erde ausgelöscht worden wäre. Mehrere Male spitzte sich die politische Situation zwischen den Supermächten USA und UdSSR derart zu, dass ein Atomkonflikt in greifbare Nähe rückte.

Aber auch technische Defekte oder Missverständnisse hätten leicht dazu führen können, dass den Luftwaffeneinheiten, die die Atombomben an Bord hatten, das Startsignal gegeben worden wäre. Um solche folgenschweren Pannen zu vermeiden und um einen schnellen Kontakt zwischen den zwei mächtigsten Männern der Welt zu gewährleisten, wurde 1963 das sogenannte Rote Telefon installiert eine direkte Verbindung zwischen den verfeindeten Staatschefs.

Was war das Rote Telefon in Wirklichkeit?

Foto: Nikita Chruschtschow (links) im Gespräch mit J. F. Kennedy (rechts).

Der Regierungschef der Sowjetunion war 1963 Nikita Chruschtschow, der Präsident der USA hieß John F. Kennedy. Im Juni 1963 trafen sich die beiden. Eigentlich wollten sie über Abrüstung verhandelt, also über eine Reduzierung ihrer Waffen. Doch in diesem Punkt wurden sie sich nicht einig. Das Einzige, auf das sie sich verständigen konnte war die Einrichtung einer Fernschreiberverbindung zwischen ihren Büros.

Das rote Telefon war nämlich gar kein Fernsprecher sondern in Wirklichkeit ein Fernschreiber, also etwas Ähnliches wie ein Faxgerät. Nun konnten sich die beiden Politiker innerhalb kürzester Zeit Nachrichten zukommen lassen, die unmittelbar vom Gegenüber stammten und nicht erst über zahlreiche andere Stellen gegangen waren.

Kuba-Krise ohne heißen Draht fast eine Katastrophe

Links: Kreml in Moskau

Ein Jahr vorher, während der Kuba-Krise hatte man nämlich gemerkt, wie fatal es war, dass Nachrichten zwischen dem Kreml (Büro des russischen Staatschefs) und dem Weißen Haus (Sitz des amerikanischen Präsidenten) bis zu 18 Stunden lang unterwegs waren. Sie wurden über die jeweiligen Botschaften weitergereicht und das dauerte viel zu lang. Damals hatten die Russen Atomwaffen auf die mittelamerikanischen Insel Kuba gebracht, mit denen leicht große Teile der USA hätten getroffen werden können.

Rechts: Weißes Haus in Washington



Die USA blockierten daraufhin den Seeweg nach Kuba. Fast wäre es zu einem Krieg zwischen den beiden Großmächten gekommen, bei dem wahrscheinlich auch Atomwaffen eingesetzt worden wären. Die Zeit um eine solche Eskalation zu vermeiden war äußerst knapp gewesen.

Bloß keine Panne sichere Datenübermittlung

Es scheint dass beide Seite wenigstens etwas aus dieser Situation gelernt hatten: ein direkter Draht musste her. Die Fernschreibeverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml wurde eingerichtet. Doch was wäre, wenn jemand diese wichtige Leitung zerstören würde oder die  Nachrichten abhören oder unterwegs verändert würde?

Links: Zeichenfolge zur Verschlüsselung eines One-Time-Pads.

Auch daran war gedacht. Es wurden zwei Leitungen verlegt und die Botschaften wurden mit einem komplizierten Kodierungsverfahren, dem One-Time-Pad verschlüsselt. Dabei darf der Kodierungs-Schlüssel nur ein einziges Mal verwendet werden und er muss mindestens genauso lang sein wie der zu verschlüsselnde Text. Das klingt nicht nur schwierig sondern ist auch umständlich in der Anwendung. Dafür aber hundertprozentig sicher, vorausgesetzt dass niemand den Schlüssel klaut.

Wann wurde der heiße Draht genutzt?

Wirklich zum Einsatz kam der Fernschreiber zwischen den zwei Staatschefs nur selten. Erstmals wurde er genutzt als zwischen Israel und drei seiner arabischen Nachbarländerm 1967 der Sechs-Tage-Krieg ausbrach. Auch 1970 und 1973 waren Krisen im Nahen Osten die Anlässe, die den heißen Draht zum Glühen brachten.

Regelmäßig wird seither nur das Testsignal gesendet. Es lautet: The quick brown fox jumps over the lazy dog, auf Deutsch: Der schnelle braune Fuchs springt über den faulen Hund. Warum gerade so ein unsinniger Satz? Er enthält alle Buchstaben die der Fernschreiber darstellen kann. So kann man jederzeit sehen, ob am anderen Ende der Leitung eine Taste klemmt.

Übrigens gibt es solche direkten Verbindungen nicht nur zwischen Washington und Moskau sondern auch zwischen vielen anderen Regierungen der Welt. Derzeit verhandeln die USA mit China über die Einrichtung eines Roten Telefons

Text: Liane Manseicher, 19.06.08; Fotos: Telefon: Tessloff Archiv; Personen und Flaggen: public domain; Regierungsgebäude und One-Time-Pad: GFDL. 

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