Das Ende des Prager Frühlings

Der Prager Frühling begann bereits am 5. Januar 1968. Der damalige Parteichef der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KPC) Novotny wurde vom Reformpolitiker Alexander Dubcek abgelöst. Die neue Führung machte sich für umfassende politische Veränderungen stark. Unter dem Stichwort Sozialismus mit menschlichem Antlitz setzte sich Dubcek vor allem für mehr Pressefreiheit, Aufhebung der Zensur, Demokratisierung, Versammlungsfreiheit, Abbau des Zentralismus und wirtschaftliche Reformen in seinem Land ein.


Es blieb nicht nur bei den schönen Versprechen, diesmal wurden die mutigen Vorschläge tatsächlich in die Tat umgesetzt. Doch diese liberale, politische Haltung in der Tschechoslowakei war der Sowjetunion ein Dorn im Auge. Sie befürchteten ein Übergreifen der Liberalisierungswelle auf die Nachbarländer wie Polen oder die DDR. Immer mehr Menschen schlossen sich der Bewegung an, deren vorläufiger Höhepunkt im so genannten Manifest der 2000 Worte gipfelte. Über 10 000 Menschen unterschrieben das Papier, in dem die alte KP-Führung wegen Unfähigkeit und Bestechlichkeit angegriffen wurde.

Angst vor zu viel Eigenständigkeit

In den Augen der Sowjetunion stellte der Prager Frühling eine Bedrohung für die Einheit des Ostblocks dar. Sie forderte gemeinsam mit weiteren Staaten des Warschauer Pakts, wie Bulgarien, Polen, Ungarn und der DDR, dass die Reformentwicklung in der CSSR gestoppt werden müsse. Die Lage verschärfte sich jedoch, auch wenn die tschechoslowakische Regierung ihre Verbundenheit mit den sozialistischen Staaten beteuerte und neue Verträge mit der Sowjetunion abschloss.

Der dritte Weg

Inzwischen stand ein Grossteil der Bevölkerung hinter den Reformplänen des Prager Frühlings. Zu lange durften die Menschen im Land ihren Meinung nicht öffentlich äußern, zu lange durften Künstler und Schriftsteller nur veröffentlichen, was von oben vorgeschrieben war. Die Menschen sahen in der Entwicklung die Chance auf einen Dritten Weg. Der Prager Frühling gilt als Beweis dafür, dass zwischen Kommunismus und Kapitalismus noch ein dritter Weg möglich ist. Man versteht darunter die Verbindung sozialistischer Wirtschaftsordnung mit Elementen demokratischer Mitbestimmung und Rechtsstaatlichkeit.

Militärischer Einmarsch

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 machen die Warschauer Pakt Staaten ernst. In nur wenigen Stunden rollen mehr als 7000 Panzer über die Grenzen der CSSR. Sie kommen aus der Sowjetunion, der DDR, Bulgarien, Ungarn und Polen. Die Menschen an den Straßen setzen sich zur Wehr und greifen die Eindringlinge mit Steinen und bloßen Händen an. Viele versuchen mit den Soldaten zu diskutieren. Vergeblich.

Gewaltsames Ende

Anfangs schießen die Soldaten noch in die Luft, doch die Stimmung kippt schnell. Die Besatzer drehen durch und schießen in die aufgebrachte Menge. 72 Menschen sterben, 200 werden schwer verletzt. Noch in der gleichen Nacht verschleppen die Sowjets den Parteichef Dubcek und den Präsidenten Svoboda in die UDSSR. Dort werden sie tagelang festgehalten und schließlich gezwungen ihre Kapitulation zu erklären. Im Gegenzug wollten die Sowjets ihre Truppen nach und nach wieder abziehen. Dieses Versprechen wurde jedoch erst mit 23jähriger Verspätung im Mai 1991, nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems, eingelöst.

Späte Genugtuung

Die politische Karriere von Alexander Dubcek war mit dem Ende des Prager Frühlings ebenfalls beendet. Zunächst wurde er als Parteichef abgelöst und aller Ämter enthoben. Dubcek arbeitet bis zu seiner Pensionierung, abgeschirmt von der Öffentlichkeit durch den Sicherheitsdienst, als Aufseher eines Fuhrparks der Waldarbeiter in einem Forstbetrieb in Bratislava. Erst 1989 als es in der Tschechoslowakei, wie in anderen kommunistischen Ländern zur "sanften Revolution", kommt wird er rehabilitiert. Die alte Parteiführung tritt zurück. Dubcek wird Mitbegründer der Bewegung "Öffentlichkeit gegen Gewalt" (VPN). Im Dezember wird Dubcek zum Präsidenten des Bundesparlamentes gewählt.

20.8.03 / sw Bilder: DHM, Fotografen: "Gewaltsame Niederschlagung des ´Prager Frühlings´ durch Truppen des Warschauer Pakts, Fotografin: Sylvia Marita Plath.

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