Damenwahl!

Es war eine bewegte Zeit damals. 1918 hatte der deutsche Kaiser abgedankt und der erste Weltkrieg war vorüber. Die Weimarer Republik war gerade ausgerufen, als eine Übergangsregierung in Form des Rats der Volksbeauftragten den Frauen das Wahlrecht zuerkannte. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren Frauen von einer Gleichberechtigung und Gleichbehandlung, insbesondere vor dem Gesetz, weit entfernt.

Frauen wurden als körperlich und geistig weniger leistungsfähig angesehen, sie galten gewissermaßen als Menschen zweiter Klasse. Sie sollten sich auf ihre Rolle als Mutter und Hausfrau konzentrieren, so dass ihnen auch der Zugang zu höheren Schulen und zu Universitäten fast unmöglich gemacht wurde.

Revolution liegt in der Luft

Anita Augspurg (1857-1943) war zusammen mit Lida Gustava Heymann (1868-1943) eine der Vorkämpferinnen für Frauenrechte in Deutschland. Man kann und mag es sich kaum noch vorstellen, aber damals hatte der Ehemann weitgehend die Macht über Frau, Kinder und Vermögen. Er durfte sogar die Arbeitsverträge der Ehefrau kündigen. Eines der Hauptziele von Augspurg und Heymann war das Frauenwahlrecht. Dazu gründeten sie zunächst in Hamburg (1902) und dann in Bayern (1913) Vereine, die sich schließlich über das gesamte Kaiserreich ausbreiteten.

Schließlich hatten sie Erfolg. Infolge der Novemberrevolution wurde 1918 das Frauenwahlrecht durch Kurt Eisner in München proklamiert. Und die Damen nutzten nun ausgiebig das ihnen nun zuerkannte Recht. Mehr als 82% der stimmberechtigten Frauen machten bei der Wahl 1919 erstmalig von ihrem Wahlrecht Gebrauch. 37 weibliche Abgeordnete zogen mit ihren männlichen Kollegen ins Parlament ein.

So hielt die Abgeordnete Marie Juchacz schließlich am 19.2.1919 als erste der 37 neuen weiblichen Abgeordneten ihre Rede vor der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung in Weimar. Sie begann mit den Worten: Es ist das erste mal, dass in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf.

Meine Herren und Damen!

Als sie ihre Rede mit der Begrüßung Meine Herren und Damen! eröffnete, führte dies laut Sitzungsprotokoll zu Heiterkeit. Denn bis dahin hatte es ja noch keine Frau im Parlament gegeben. Bis 1908 waren Frauen von jeder politischen Mitbestimmung ausgeschlossen gewesen. Sie durften weder in einem politischen Verein Mitglied sein, noch durften sie an politischen Veranstaltungen teilnehmen.

In der neuen Weimarer Verfassung wurde das aktive und passive Wahlrecht für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zur Wahl der Nationalversammlung eingeführt.
Dabei bedeutet aktives Wahlrecht, dass man selbst aktiv wird, also ein Kreuzchen auf einem Wahlschein machen und jemanden wählen darf. Passives Wahlrecht dagegen heißt, dass man sich wählen lassen darf, sozusagen Empfänger der Kreuzchen auf den Wahlzetteln ist.

Blume oder Unkraut?

Das aber ein Gesetz noch lange nicht die Meinung der Menschen ändert zeigt ein Zitat von Dr. Michael Horlacher. Er war von 1946 bis 1950 bayerischer Landtagspräsident und seine Meinung zu Frauen in der Politik machte er mit folgendem Satz deutlich: Eine Frau im Parlament ist wie eine Blume, mehrere aber wie Unkraut.

Deutschland war übrigens weder das erste, noch das letzte Land, in dem das Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde. Andere Länder, wie etwa Finnland oder Dänemark, waren da schon weiter. Dort wurde das Frauenwahlrecht schon früher eingeführt, in Finnland 1905 und 1908 in Dänemark. In der Schweiz hingegen wurde das allgemeine Wahlrecht für Frauen erst 1971 eingeführt; im Schweizer Halbkanton Appenzell-Inerrhoden gar erst 1990.